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Kultur
Die St.Galler Künstlerin hat auch besondere Arbeitsorte wie die Waffenkammer im Zeughaus oder die Notrufzentrale gemalt.
Fast eine Stunde überlegt Harlis Schweizer Hadjidj, wohin sie sich im St.Galler Kantonsratssaal zum Skizzieren setzen soll. Dann nimmt sie auf dem Sessel des Ratspräsidenten Platz. «Harlis, so schnell kommst du nicht wieder hierher», denkt sich die 46-jährige Künstlerin, der beim Erzählen der Schalk aus den Augen blitzt. In den ehrwürdigen Saal hat sie ein besonderer Auftrag gebracht. Für das Hochbauamt des Kantons malte sie während eines Jahres 18 Arbeitsplätze der kantonalen Verwaltung in Öl, zehn in der Stadt St.Gallen, acht im übrigen Kanton. Eine kleine Auswahl, denn der Kanton beschäftigt über 5000 Mitarbeiter.
Die Gemälde sind bis Anfang Januar im Entree und im Innenhof des Hochbauamtes ausgestellt und gehen dann im Kanton auf Tournee. Mehrheitlich hat Schweizer Hadjidj Büroräumlichkeiten festgehalten, aber auch die Aufzuchtbecken des Fischereizentrums in Steinach oder die Waffenkammer im Zeughaus St.Gallen: «Ich wollte schon immer ein Sturmgewehr sehen», sagt die Künstlerin schmunzelnd, die sich bei der Auswahl der Orte vor allem von ihrer Neugierde leiten liess.
Treibende Kraft hinter der Gemäldeserie «New Work» ist Kantonsbaumeister Werner Binotto. Er wollte vor dem Hintergrund der Digitalisierung, welche die Arbeitsplätze in Zukunft stark verändern wird, den Status quo festhalten. Nicht fotografisch, sondern malerisch: «Ich bin der Meinung, dass es einen Unterschied macht, wenn eine Künstlerin sich Zeit nimmt, interpretiert und selektioniert», sagt Binotto. Er gab der Künstlerin eine Carte blanche. Einzige Bedingung war, keine Menschen abzubilden.
Tisch, Stuhl Computer: Die Arbeitsplätze ähneln sich, und doch ist jeder verschieden. Wird dort ein Menü- oder ein Grabungsplan entworfen? Die Gemälde sind nicht angeschrieben und lassen Raum für Spekulationen. Einfach zu identifizieren ist die kantonale Notrufzentrale des Stararchitekten Santiago Calatrava. Da ihre Arbeitsplätze im Soussol liegen und von einer Galerie umgeben sind, fühlten sich die Mitarbeiter im Prestigebau ausgestellt, erfuhr die Künstlerin – wie im Bärengraben, dachte sie sich. In der Kantonsarchäologie, die sich in einem sanierungsbedürftigen Altbau befindet, hörte sie hingegen keine Klagen.
Vor Ort fertigte Schweizer Hadjidj jeweils drei bis vier Skizzen und eine genaue Zeichnung an. Diese bildeten den Ausgangspunkt für das Gemälde, das sie danach in ihrem St.Galler Atelier ausführte. An den Gegebenheiten vor Ort veränderte die Künstlerin nichts, erlaubte sich aber in der malerischen Umsetzung einige Freiheiten, machte mal eine Pflanze etwas gesünder, mal hob sie eine Spiegelung stärker hervor. Und einmal ragt vorwitzig ihr Skizzenblock ins Bild.
In ihrer Malerei bleibt sie zwar gegenständlich, lässt aber weg, was nichts zur Sache tut, wählt eigenwillige Perspektiven und setzt mit Farben eigene Akzente, hält damit Atmosphärisches fest: Das Büro im Amt für Waser und Energie hat sie fast ganz in Türkis getaucht, im Sitzungszimmer des Kantonsrates dominieren Orange und Braun.
Als grösste Herausforderung für die Künstlerin erwies sich der regionale Ermittlungs- und Fahndungsdienst in Oberbüren. Die Büros seien weder schön noch hässlich und es gebe nichts Überraschendes: «Eigentlich wollte ich wieder gehen», gesteht die Künstlerin. Doch dann kam ihr der Zufall zur Hilfe: Ein Fahnder brachte zwei Töffhelme herein und legte sie auf ein Regal im Büro. Sie waren bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt worden, und die Künstlerin hatte ihr Bild.
Bis 7.1, Kantonales Hochbauamt, St.Gallen; 17.1.–17.3., Technische Hochschule Rapperswil