«Darauf hat keiner gewartet»

Die Band Wir sind Helden pausiert seit drei Jahren. Auch weil Sängerin Judith Holofernes dem Burn-out entgehen und auf der faulen Haut liegen wollte. Nun meldet sie sich früher als gedacht zurück – mit einem Solo-Album.

Michael Gasser
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Sängerin Judith Holofernes ist zurück. Nicht mit Band, sondern alleine. (Bild: pd)

Sängerin Judith Holofernes ist zurück. Nicht mit Band, sondern alleine. (Bild: pd)

Die Band Wir sind Helden setzt seit 2011 aus. War das – wie so vieles bei Ihrer Gruppe – ein basisdemokratischer und entsprechend hart umkämpfter Entscheid?

Judith Holofernes: Nein, das waren am Ende lange Gespräche, aber der Entscheid hat niemanden überrascht. Die anderen wussten, dass mir mein Beruf in den letzten Jahren nicht mehr so richtig gut bekommen ist.

Es heisst, Sie hätten nicht gewusst, was nach Wir sind Helden folgen könnte. Haben Sie daran gezweifelt, dass wieder ein Album kommt?

Holofernes: Ich wusste wirklich nicht, was kommen würde. Ich habe natürlich geahnt, dass ich nie ganz von der Musik würde lassen können – aber dass nicht wenigstens ein paar Jahre lang mal das Schreiben die Oberhand gewinnt, das hätte ich nicht gedacht.

Statt zu arbeiten, wollten Sie sich nicht zuletzt dem Müssiggang hingeben. Leichter gesagt als getan?

Holofernes: Nein, ich habe schon Übung! Als Musiker in einer so umtriebigen Band muss man früh lernen, gründlich abzuschalten, wenn mal nichts los ist.

Eigentlich wollten Sie ja einen Roman schreiben. Was lief schief?

Holofernes: Die Musik hat den Roman mit ausgefahrenen Ellenbogen überholt!

Ertappen Sie sich dabei, dass Sie hin und wieder einen Song von Wir sind Helden anstimmen?

Holofernes: Gestern habe ich viele alte Helden-Songs gehört, im Zug, mit Kopfhörern, weil ich Texte für eine Lesung raussuchen musste. Danach hatte ich den ganzen Tag Helden-Ohrwürmer. Schön, oder?

Zu Ihrem Album «Ein leichtes Schwert»: Wie sehr sollte es sich von jenem der Band unterscheiden?

Holofernes: Ich mag Wir sind Helden immer noch sehr und habe kein Bedürfnis, mich absichtlich abzugrenzen. Aber dadurch, dass meine Platte sehr analog klingt und ich alle Gitarren und Ukulelen gespielt habe, klingt sie sehr nach mir. Ich mochte ungeschliffene, spontan klingende Musik schon immer.

Die Platte hört sich ungemein leichtfüssig an. Warum?

Holofernes: Es hat sich tatsächlich sehr leicht angefühlt und unverschämt viel Spass gemacht. Ich denke, das Wichtigste war, dass niemand auf die Platte gewartet hat, weil ja überhaupt niemand wusste, dass ich heimlich immer noch Musik mache.

In «M.I.L.F.» rattern Sie die Namen Ihrer Lieblingsbands – wie die Ramones, die Flaming Lips oder Cyndi Lauper – runter. Nachhilfeunterricht für die nachgeborene Generation?

Holofernes: Das wäre ein schönes Mixtape. Ich kann jedem nur ans Herz legen, das mal nachzubasteln. Ob nachgeboren oder nicht.

Das T-Shirt Ihrer Protagonistin in «Pechmarie» riecht nach «Traurigkeit und Windeln». Eine Reminiszenz an Ihr eigenes Mutter-Dasein?

Holofernes: Nein, dass ist ein Lied, das ich für eine konkrete Person geschrieben habe, die ihre Kinder Anfang der 70er-Jahre bekommen hat, in einer viel engeren, unfreundlicheren Umgebung in einem Vorort – und die sehr jung war und sehr einsam. Ich habe das Lied als die Freundin geschrieben, die diese Frau damals gebraucht hätte.

Im April gehen Sie auf Tournée. Für einen Abstecher in die Schweiz reicht es nicht. Weshalb?

Holofernes: Ich hoffe, dass wir im Festivalsommer in die Schweiz kommen. Ich habe mit Mama Rosin und Bonaparte zwei Gäste aus der Schweiz auf meiner Platte, schon deshalb muss ich die Musik wieder zurücktragen. Ich wollte auf dieser ersten kurzen Tour zuerst gucken, wie viele Hähne nach mir krähen, wenn ich ohne Band unterwegs bin.

Mit Wir Sind Helden schrammten Sie am Burn-out vorbei. Was gilt es zu tun, damit Sie nun nicht wieder in dieses Fahrwasser geraten?

Holofernes: Ich hoffe, ich bin schlauer geworden. Und wenn ich nur für mich selbst verantwortlich bin, kann ich häufiger aus dem Bauch heraus entscheiden, was mir gut tut.

Judith Holofernes: «Ein leichtes Schwert» (Sony Music)