«Da muss die Post abgehen!»: «Tatort»-Drehbuchautor gibt in St.Gallen Kurse

Welche Regeln gelten beim Erzählen? Im Schreibkurs mit dem St.Galler Drehbuchautor Urs Bühler.

Roger Berhalter
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Vom ersten bis zum dritten Akt: Urs Bühler bringt seinen Schülerinnen und Schülern die Grundregeln des Erzählens bei. Bild: Urs Bucher

Vom ersten bis zum dritten Akt: Urs Bühler bringt seinen Schülerinnen und Schülern die Grundregeln des Erzählens bei. Bild: Urs Bucher

Die Kursteilnehmer lauschen konzentriert. Auf ihren Pulten liegen Schreibblöcke und Bücher mit Titeln wie «Die häufigsten Probleme beim Drehbuchschreiben». Vorne sitzt Urs Bühler, 60 Jahre, dicke Brille, ganz in Schwarz. Er schaut in seinen Laptop und lässt im Schulungsraum Bläser-Fanfaren aus den Boxen dröhnen. «Star Wars!!», ruft ein Kursteilnehmer. «Richtig, ein Punkt für dich», sagt Bühler. Er startet den Drehbuchkurs an diesem Mittwochabend mit einem Filmmusik-Ratespiel. «James Bond», «Mission Impossible»: Der Auftakt ist noch einfach, doch dann wirds verzwickter. Wer erkennt schon auf Anhieb die Melodie von «Cast Away» mit Tom Hanks?

Nach dieser Aufwärmrunde taucht Bühler ein in die Materie. Es ist der zweite von sechs Kursabenden, heute geht es um die Grundelemente des Erzählens, die Bestandteil jedes Drehbuchs sind. Bühler gestikuliert wild, referiert leidenschaftlich, und in seinen markigen Worten klingt die Kunst des Drehbuchschreibens ganz einfach:

«Irgendwie muss die Geschichte anfangen, am Schluss muss sie sich auflösen – und dazwischen muss die Post abgehen!»

So einfach ist es natürlich nicht, das wissen auch die drei Frauen und zwei Männer, die den Kurs an der St.Galler Migros-Klubschule gebucht haben. Es sind Filminteressierte aus der Region, die meisten haben schon Erfahrungen im Drehbuchschreiben gesammelt. Eine von ihnen reist für den Kurs eigens aus Bern an.

Dreimal «Tatort» und ein Geiseldrama

Urs Bühler zählt zu den erfahrensten Drehbuchautoren des Landes. Er lernte sein Handwerk zunächst als Filmtechniker, bevor er in den 1990er-Jahren nach Hollywood zog und am renommierten American Film Institute (AFI) Regie und Drehbuch studierte. Heute lebt er in St.Gallen als freischaffender Drehbuchautor und Kursleiter. Ein Dutzend seiner Drehbücher wurden schon verfilmt, darunter drei «Tatort»-Folgen sowie die Fernsehfilme «Verdacht» und «Das Fräuleinwunder», die beide in St.Gallen spielen. Derzeit schreibt Bühler für den Regisseur Michael Steiner an einem Drehbuch für den Kinofilm «Und morgen seid ihr tot»; ein Taliban-Geiseldrama nach einer wahren Geschichte.

Im Kurs an der Migros-Klubschule geht es aber nicht um Mord und Totschlag. Bühler bringt seinen Schülern vielmehr die grundsätzlichen Regeln des Erzählens bei, die für alle Filmgenres gelten, vom Krimi über die Komödie bis zum Bruce-Willis-rettet-die-Welt-Film. Storytelling lautet das Zauberwort, das heute nicht nur beim Filmemachen, sondern auch in jedem Roman, jedem Zeitungsartikel, ja gar in jeder Waschmittelwerbung gefragt ist. «Seit es uns Menschen gibt, erzählen wir uns Geschichten», sagt Bühler.

«Dadurch lernen wir nicht zuletzt den Umgang mit Problemen.»

Zehn Minuten Zeit für den Hauptkonflikt

Bühler ist ein charismatischer Dozent, geht auf seine Schüler ein und zieht in jeder Situation den passenden Filmtitel aus dem Hut. Er kann eine Anekdote zum Filmklassiker «Manche mögen’s heiss» erzählen, er kennt aber auch «Parasite», den jüngsten «grandiosen» Film des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon-ho.

Die Teilnehmer lernen an diesem Abend ein paar prägnante Merksätze: Die erste Sequenz des Films gehört der Hauptfigur, nach spätestens zehn Filmminuten muss der Hauptkonflikt da sein und: Genres können beliebig gemischt werden. Das sind klare Ansagen – die Bühler aber sogleich wieder relativiert: «Ich erzähle euch hier nur die Grundregeln. Erst wenn ihr sie kennt, könnt ihr gegen sie verstossen.»