Christoph Nix plant trotz Virus Freilufttheater in Konstanz

Der scheidende Intendant möchte im Sommer seine letzte Aufführung «Herrmann der Krumme oder die Erde ist rund» realisieren. Ob dies klappt, ist ungewiss.

Inka Grabowsky
Drucken
Christoph Nix will Theater wieder möglich machen.

Christoph Nix will Theater wieder möglich machen.

Bild: Inka Grabowsky

«Wir wollen ein Exempel statuieren», sagt Christoph Nix. «Theater ist wieder möglich – und draussen geht es besser als anderswo.» Das Leitungsteam des Theaters Konstanz hat ein Konzept zur Umsetzung der jährlichen Freilichtinszenierung vor dem Münster ausgearbeitet.

Der technische Direktor Holger Bueb hat drei Tribünen vorgesehen, auf denen 228 statt wie sonst 692 Plätze installiert würden. Der Einlass würde gesteuert, das Stück auf siebzig Minuten zusammengestrichen. Es gäbe keine Gastronomie, dafür Masken für alle und viele Handwaschbecken. Die acht Schauspieler, zwölf Statisten und 16 Chorsänger würden mit Abstand proben und spielen, sich selbst schminken und umziehen. Mitmachen dürften nur Freiwillige, die vor den Proben und auch in der Aufführungszeit auf Covid-19 getestet würden. Das virologische Institut der Uni Freiburg findet das Konzept immerhin schon mal schlüssig. Nix meint:

«Wir kennen bisher noch kein anderes Theater, das so etwas gemacht hat, aber so schwer ist es nicht.»

Noch ist unklar, ob die Pläne bis zur Premiere am 19.Juni realisiert werden. Die Stadt hat wegen Mindereinnahmen durch die Coronakrise eine Haushaltssperre verhängt. Der Gemeinderat soll erst im Mai entscheiden, ob die kulturellen Einrichtungen ihr Angebot aussetzen müssen. Christoph Nix spricht in diesem Zusammenhang von Sparfantasien. Er sei quasi handlungsunfähig, obwohl die Finanzierung des Freilichtspiels eigentlich schon erledigt sei. Die Tribünen seien lange von der Krise in Auftrag gegeben worden, die Kostüm-, Bühnen- und Maskenbildner hätte sowohl konzeptionell als auch handwerklich bereits gearbeitet. «Und wenn es Kurzarbeit gibt, dann entscheidet der Intendant, wer sie nutzt und wer nicht.» Mehrkosten gäbe es gegebenenfalls bei der Besetzung der Titelrolle, aber hier sei er zu Kompromissen bereit.

Vor dem Konstanzer Münster sind drei Tribünen vorgesehen mit 228 statt 692 Plätzen.

Vor dem Konstanzer Münster sind drei Tribünen vorgesehen mit 228 statt 692 Plätzen.

Bild: PD

Falls die Freilichtspiele stattfinden, erwartet das Publikum die Geschichte von «Hermann dem Krummen», bisher bekannt als Hermann der Lahme. «So ist es eine bessere Metapher auf den krummen Zustand der Welt,» sagt der Intendant, Regisseur und Autor, der sich seit rund einem Dreivierteljahr mit dem Stoff beschäftigt. «Hermann ist für mich ein unbekannter Bekannter.»

Vom Lahmen zum Spastiker

Nix ist davon überzeugt, dass Hermann, der von 1020 bis 1054 als Mönch, Wissenschaftler und Musiker auf der Insel Reichenau gelebt hat, ein Spastiker gewesen ist. Seine Darstellungen als stehender Mann mit Gehstock seien Ästhetisierungen. «Er konnte gar nicht gehen und kaum sprechen. Aber Menschen halten den Anblick von spastischen Anfällen nicht aus.» Für ihn ist Hermann der Stephen Hawking des ersten Jahrtausends. Deshalb wird der berühmte Physiker als Figur von den Türmen des Münsters aus mitspielen. «Hermann der Lahme hat 900 Jahre auf das Stück gewartet», meint Nix. «Eventuell muss er noch länger warten.»

Sollten die Infektionszahlen steigen, würde die Aufführung sofort abgesagt. «Natürlich würden wir den Hermann gern bringen, aber nicht, um mir persönlich einen grossen Abgang zu verschaffen.» Er gehöre selbst zur Risikogruppe und sei ausserdem Hypochonder: «Und ich will nicht in die Geschichte eingehen als jemand, der Ansteckungen verursacht hat, weil er unbedingt Theater machen wollte.»