Donat Blum
Wenn lieben, dann richtig

In Donat Blums «Opoe» reist der Protagonist seiner verstorbenen Grossmutter nach – und findet sich selbst.

Mélanie Honegger
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«Einfühlsam und berührend ist Blums Roman.»

«Einfühlsam und berührend ist Blums Roman.»

Zuerst ist die Trauer. Die Hauptfigur in Donat Blums Roman verliert seine Grossmutter Opoe. Eine herzensgute Frau war sie, immer auf eine feine Erscheinung bedacht. Als sie noch lebte, ging sie mit dem Enkel ins Migros-Restaurant essen und liess sich von ihm im Pflegeheim Gutenachtlieder vorsingen. Ihr Tod ist ein Abschied – und der Beginn einer Reise zurück in die früheren Jahre der holländischen Grossmutter.

Der Enkel, das ist Donat. Ein autobiografisches Werk also? «Autofiktional», erklärt Blum. «Ein Teil entspricht sicher meinen Erlebnissen, aber genau so wichtig sind fiktive Elemente, Erlebnisse aus meiner Fantasie.»

Am Sonntag liest der Schaffhauser Schriftsteller im Rahmen einer Sofalesung des Literaturhauses Basel aus seinem Debütroman vor, im November ist er auch an der BuchBasel zu Gast. Ein «unglaubliches Privileg» sei es gewesen, diesen Roman zu schreiben. «Ich habe noch nie etwas lieber gemacht.»

Einfühlsam und berührend ist Blums Roman. Die Direktheit seiner Sprache ist zuweilen ruppig, vor allem aber hemmungslos ehrlich. Drei verschiedene Liebhaber stellt uns der Autor in seinem Buch vor, erzählt ohne Angst vor Verletzlichkeit von Sex und Gefühlen. Für Blum keine ungewohnte Situation.

«Einfühlsam und berührend ist Blums Roman.»

«Einfühlsam und berührend ist Blums Roman.»

Erzählen ohne Tabu

«Das Preisgeben von Intimität ist ein Prozess, den ich nicht zuletzt vom ständigen Coming-out gut kenne. Dabei lernt man ja auch, über persönliche Dinge zu sprechen.»

Es ist dieses tabufreie Erzählen, das bewegt. Wenn der Protagonist beim Sex ausrutscht und der Partner vor Schmerz aufschreit etwa. Oder wenn er pingelig genau seinen Pullover reinigt, als sich die Grossmutter kurz vor ihrem Tod auf ihn übergeben muss. Der Tod war es auch, der am Anfang des Schreibprozesses stand. Das Unverständliche, das ihn begleitet, hat Blum nicht mehr losgelassen. «Wenn jemand stirbt, am Ende des Lebens, werden ja auch Fragen aufgeworfen. Man fragt sich selbst: Was ist denn ein glückliches Leben?»

Die Antwort darauf habe er selbst noch nicht gefunden. Er bleibe auf der Suche. Dennoch sei ihm beim Schreiben auch einiges bewusst geworden. Das heisst: vor allem etwas. Es töne vielleicht etwas plump, aber: «Wie wichtig Liebe ist, in all ihren Formen. Und dass auch das Schreiben gewissermassen eine Form von Lieben ist: Sich mit Leib und Seele in etwas reingeben, sich auf Figuren einlassen und die Nähe zu ihnen zu suchen.»

Blum selbst hat sechs Jahre lang an seinem Roman gearbeitet. Zwei Lebensgeschichten verknüpft er miteinander: jene seiner Grossmutter und seine eigene. Die Grossmutter, als schwangere Frau einem Schweizer in die Berge nachgereist, scheint zu Beginn nicht viel mit ihrem Enkel gemeinsam zu haben. Doch schon bald wird klar: Der Kampf um einen Platz in der Gesellschaft bewegt auch die jüngere Generation. Und: Die Liebe ist kompliziert – und sie war es schon immer.

Ein Buch zum Verschlingen.