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Kultur
Wer wenig hat, bekommt nun weniger: Das Bundesamt für Kultur kürzt dem Berufsverband der freien Theaterschaffenden die Subvention. Vorerst.
BAK (Bundesamt für Kultur): Sie hätten es längst kommen sehen müssen! Jetzt müssen sie sich sputen und unsere Vorgaben erfüllen, dann werden sie weiterhin ihr Geld bekommen.
ACT (Berufsverband für freie Theaterschaffende): Wir konnten es so nicht kommen sehen! Die Vorgaben sind nicht sinnvoll, das Tempo können wir nicht einhalten. Euer Vorgehen bedroht unsere Existenz.
BAK gegen ACT. Es hat etwas von einer Komödie, weil man offenbar seit Monaten aneinander vorbeiredet. Es ist eine Tragödie, weil nun ausgerechnet jenen Verbänden die Bundesgelder gestrichen werden sollen, die sich für die prekärsten unter den ohnehin nicht gut situierten Theaterleuten einsetzen: für freie Theaterschaffende.
ACT gegen BAK. Der Verband ruft Mitglieder und Sympathisanten dazu auf, sich gegen den Entscheid des Bundesamtes zu wehren. Gegen 800 Personen haben den offenen Brief «Wir Theaterschaffenden wehren uns» bisher unterzeichnet. Der Präsident von ACT Schweiz, Niggi Ullrich, zieht rechtliche Schritte gegen den Entscheid in Erwägung.
Das Ziel von ACT, dem Berufsverband der freien Theaterschaffenden, ist es, die beruflichen Rahmenbedingungen seiner Mitglieder zu verbessern. ACT setzt sich ein für Mindestgagen, bietet Beratungen, Vergünstigungen und Vernetzungshilfe.
ACT zählt rund 750 Mitglieder. Es wurde 1983 unter einem anderen Namen gegründet. Die bisherige Unterstützung des Bundes, 130 000 Franken jährlich, entspricht gemäss ACT-Präsident Niggi Ullrich rund einem Drittel des Jahresbudgets. Der Rest wird durch relativ hohe Mitgliederbeiträge sowie Zuwendungen Dritter finanziert.
Neben ACT sind sieben weitere kulturelle Berufsverbände von den Kürzungen des BAK betroffen. Besonders hart trifft es den KTV (Vereinigung KünstlerInnen – Theater – VeranstalterInnen), dessen jährliche Ausrichtung der beliebten Künstlerbörse in Thun neu als Promotion gilt – und deshalb nicht mehr unterstützt wird. Vom BAK erhält der KTV statt 190 000 per sofort nur noch 37 000 Franken.
Was ist passiert? Das BAK hat am 31. Januar bekannt gegeben, dass insgesamt acht kulturelle Berufsverbände den neuen Förderkriterien nicht mehr entsprächen. Ihnen werden die Beiträge gekürzt oder gestrichen. Ab sofort. ACT, das bisher vom BAK mit 130 000 Franken unterstützt worden ist, erhält 2017 noch 61 554 Franken. Ab 2018 nichts mehr.
Warum? Weil ACT keine gesamtschweizerische Organisation ist. ACT müsste also gemäss BAK bereits jetzt fusioniert haben mit drei weiteren Verbänden: dem Schweizerischen Bühnenkünstlerverband (SBKV) sowie den Theaterverbänden in der Romandie und im Tessin.
ACT könne diesen Akt der Fusion aber noch nachholen: «Wenn es den betroffenen kulturellen Organisationen gelingt, im Laufe des Jahres 2017 die geltenden Unterstützungskriterien zu erfüllen, werden wir die Frage nach einer eventuellen Unterstützung erneut prüfen und die Höhe einer allfälligen Subvention entsprechend bemessen», sagt BAK-Mediensprecher Daniel Menna.
Was will das BAK? Es will generell nur noch fördern, was gesamtschweizerisch relevant ist. Das ist ein Teil eines Masterplans, an dem seit Jahren gearbeitet worden ist. Wer diesen Prozess samt Kulturbotschaft und Förderkonzept verfolgt, weiss das. Das BAK zeigt sich denn auch überrascht, dass ACT überrascht ist. «Das neue Förderkonzept mit all seinen Konsequenzen wurde den betroffenen Verbänden im Mai und September 2016 vorgestellt», sagt Menna.
ACT sieht es anders. Man sei nicht rechtzeitig offiziell und klar informiert worden über die konkreten Forderungen des Bundes, sagen Vorstandsmitglieder. «ACT verschliesst sich Anpassungen an die neue Verbandsförderung des Bundes keineswegs, im Gegenteil. ACT hat sich schon verschiedentlich als integrierendes Kompetenzzentrum für die Sparte Theater profiliert», sagt Präsident Niggi Ullrich. «Aber dass das BAK in unbotmässigem Tempo 23-seitige Subventionsanträge einfordert und – ohne vorherige Konsultation, ohne partnerschaftlichen Dialog – diese Anträge mittels pauschaler Bescheide ablehnt respektive auf null streicht, das entspricht nicht den landesüblichen und ‹freundeidgenössischen»› Gepflogenheiten».
ACT-Geschäftsführerin Claudia Galli macht zudem darauf aufmerksam, dass noch bis 2016 bei den Förderkriterien für den Theaterbereich eine Ausnahmeklausel vorgesehen war. Demnach hätte eine enge Zusammenarbeit mit den Partnern in den anderen Sprachregionen genügt. BAK-Sprecher Daniel Menna wiederum betont, diese Klausel sei schon im Mai 2016 gefallen: An einer Infoveranstaltung seien die betroffenen Organisationen darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass, im O-Ton, die «sprachregionale Partikularität für den Bereich Theater entfällt».
Wir können es nicht verantworten, wenn mit öffentlichen Geldern doppelspurig gearbeitet wird, erklärt das BAK. Das leuchtet ein. Doch die Theaterschaffenden hier und in der welschen Schweiz können ebenso plausibel darlegen, dass eine Fusion über die Sprachgrenzen hinweg kaum Einsparungen mit sich brächte. Zu verschieden seien die Theatersysteme. «Wir arbeiten öfter mit Frankreich zusammen als mit der Deutschschweiz», sagt Anne Papilloud, Generalsekretärin des «Syndicat Suisse Romand du Spectacle».
Einen Aussenblick hat Daniel Imboden, Leiter Theaterförderung der Stadt Zürich, der zuvor Theaterförderung für Migros Kulturprozent betrieben hat. Er hält das Vorgehen des BAK für unverständlich, spricht von «einem Verwaltungsakt, der weit weg von der Realität ist». Denn die Theaterszene unterliege nun mal je nach Sprachregion sehr unterschiedlichen Produktionsbedingungen. Auch stört ihn die «erpresserische Haltung» des BAK: Schlanke Verbände, die eine wertvolle Arbeit leisteten, werden nun «stark unter Druck gesetzt».
Das BAK würde damit wenig sparen und viel kaputtmachen. Die Vorarbeit, die ACT leiste, sei sehr hilfreich, auch für städtische und kantonale Ämter wie das seine, sagt Imboden. Kürzlich habe das Kulturamt der Stadt Zürich im Dialog mit ACT die Richtlinien der Förderung der Freien Szene überarbeitet. «Das wäre ohne deren kompetente und breit abgestützte Repräsentation so nicht möglich gewesen.»
Vincent Leittersdorf, bis vor kurzem Ensemblemitglied am Theater Basel und nun freischaffender Schauspieler, plädiert dafür, ganzheitlicher zu denken: «Die Freie Szene war immer schon der Quell für die Stadttheater, aus dieser Szene kommt die künstlerische Energie. Es wäre falsch, sie zu beschneiden.» Und es mache auch keinen Sinn, an den Schulen viel mehr Schauspieler auszubilden, als es feste Ensemblestellen gibt – und sie später nicht zu unterstützen. Leittersdorf nimmt ACT als sehr engagierten Verband wahr. In einer Fusion, wie es das BAK will, sieht er aber auch eine Chance: Mit mehr Mitgliedern bekäme der Verband mehr Gewicht, um die wichtigsten Anliegen, etwa Mindestgagen, durchzusetzen. «Es könnte sich lohnen, dafür ein paar Kröten zu schlucken.»
Ob das BAK recht hat oder nicht, ob das ACT zu träge war oder nicht: Das BAK kürzt Gelder und es kürzt sie denen, die sie am meisten nötig haben. Obwohl es selber von den Verbänden sagt: «Sie leisten wertvolle und qualitativ hochstehende Arbeit.» Wird das BAK etwas durchziehen, das in niemandes Interesses sein kann, nur wegen Formalitäten? Oder wird es wenigstens seine Frist verlängern?