Hazel Brugger füllt die Säle in der Schweiz und Deutschland. Ein Gespräch mit der 25-jährigen Zürcherin über Babys, Selbstironie und getragene Turnschuhe.
Wir treffen Hazel Brugger zwei Tage vor der Premiere. Sie arbeitet im Kleintheater in Luzern und wirkt etwas angespannt. Am Abend findet die zweitletzte Vorpremiere ihres Stücks «Tropical» statt, es scheint, als wäre noch nicht alles fertig und Teile des Stücks noch im Umbau. Die Anspannung verfliegt aber, sobald sich Hazel Brugger an den Tisch setzt und das Interview beginnt.
Hazel Brugger: Nein, das ist gar nicht wahr. Es waren eher 14.
Es ist noch nicht fertig. Es ist per Definition erst dann fertig, wenn die Premiere ist, darum ist es jetzt noch nicht fertig. Es ist wie ein Geburtstermin, es ist einfach dann fertig, wenn es da ist.
Ja, sicher.
Es ist wirklich wie bei einer Schwangerschaft. Ich kenne das zwar nur aus der Distanz, aber man sagt, dass die erste Geburt deutlich länger dauert. Beim zweiten Mal kommt das Kind in der Regel schneller zur Welt, aber die Gelassenheit, die man eigentlich bräuchte, um mit dem zusätzlichen Druck umzugehen, hat man trotzdem noch nicht. Unter dem Strich fand ich den Druck grösser als beim ersten Programm.
Ich finde es auch nicht wichtig, dass die Leute wegen des Titels wissen, um was es geht. Idealerweise kommen die Leute ja wegen mir und nicht wegen des Titels. Und ich bin ja da. Jedes Mal.
Weil ich dann mit der «Berliner Morgenpost» und nicht mit euch reden müsste. War das eine gute Antwort?
Im Ernst: Mir gefällt es hier – ich hatte schon meine letzte Premiere hier. Das Essen ist gut, die Leute sind nett. Und: Es hat hier eine gute Grösse. Ich möchte nicht vor 600 Personen eine Premiere haben. Da weckt man Erwartungen, die man bei einer Premiere gar nicht erfüllen kann. Bei einer Premiere bin ich noch nicht dort, wo ich sein will.
Das haben jetzt Sie gesagt.
Das ist, wie wenn ich sagen müsste, welches meiner beiden Lieblingsessen ich lieber esse. Ich finde beides super. Und vor allem: Ohne das andere würde mir das eine bald zum Hals raushängen. Es sind komplett unterschiedliche Dinge. Bei der «Heute-Show» habe ich ein Team und wir arbeiten gemeinsam auf ein Ziel hin. Bei meinen Bühnenprogrammen kann man mich zwei Stunden ganz direkt erleben.
Doch. Aber wenn die auf keinen Fall wollen, dass das ausgestrahlt wird, dann strahlen wir das auch nicht aus.
Rechte Politiker denken oft, dass Selbstironie ein Zeichen von Schwäche ist.
Ich finde es deutlich einfacher, wenn man sich gegenseitig mag. Dann ist es okay, böse zueinander zu sein – wie beispielsweise unter Geschwistern. Wenn ich weiss, dass ich diese Person nicht mag und mich diese Person nicht mag, dann ist es schwieriger, zu sagen, ist das jetzt noch Humor oder ist es bereits Mobbing. Das ist unangenehm.
Grundsätzlich sollte jeder gute Politiker Selbstironie haben. Im linken Spektrum ist man sich aber bewusster, dass Selbstironie sympathisch rüberkommt. Rechte Politiker denken oft, dass Selbstironie ein Zeichen von Schwäche ist.
Ich weiss, wie viel Arbeit dahintersteckt. Wir sind da sechs Stunden mit dem Zug hingefahren, und wenn ich jetzt mit Lachen anfange, dann ist alles kaputt.
Nein. Ich lache im Gegenteil sehr viel und gerne daheim.
Ja. Sehr einfach sogar. Aber ich verrate jetzt nicht wie.
Das ist jetzt eine Unterstellung.
Die Slam-Poetin, Stand-up-Comedian, Kabarettistin, Kolumnistin und Moderatorin Hazel Brugger ist 1993 im kalifornischen San Diego geboren. 2013 gewann sie den «Schweizer Meister»-Titel im Poetry-Slam bei den vierten Poetry-Slam-Meisterschaften. 2015 startete sie ihr erstes abendfüllendes Kabarettprogramm und seit 2016 gehört sie als «Aussenreporterin» zum Team der ZDF-«Heute-Show». 2017 gewann sie den Kabarett-Preis Salzburger Stier für die Schweiz. Bruggers Kolumnen erschienen in Buchform unter dem Titel «Ich bin so hübsch». Am Freitagabend hatte ihr neues Soloprogramm «Tropical» am Luzerner Kleintheater Premiere und tourt nun durch die ganze Schweiz. (sk)
Das stimmt. Und das ist auch absichtlich so. Ich denke auch, dass das Publikum ein Recht hat, nach zweieinhalb Jahren Präsident Trump und dem Erstarken der politischen Satire wieder mal zwei Stunden zu lachen, ohne dass es noch einen moralischen Einschlag haben muss. Das Leben ist ja insgesamt auch viel mehr als einfach nur Politik.
Eine gute Frage. Mit Humor macht man sich verletzlicher. Humor kann auch immer falsch verstanden werden. Vor allem von Leuten, die einen falsch verstehen wollen. Wenn ein Politiker einen Witz macht, der nicht oder falsch zündet, dann ist das ungleich schlimmer, als wenn ein Comedian das macht. Darum hat man ja auch immer das Gefühl, dass ein Politiker so mutig ist, wenn er mal einen Witz macht.
Es gibt schon solche, die es versuchen. Thomas Aeschi von der SVP war bei Michael Elsener in der Sendung zu Gast und hat ein paar Jokes gemacht – sie haben halt einfach nicht funktioniert. Das liegt einerseits am Kontext und andererseits daran, dass Humor eben auch ein Fach ist, das man lernen muss.
Ich bin auch noch nicht da, wo ich hin will. Geben Sie mir noch zehn Jahre. Ich mache das ja auch schon seit ich 17 bin.
Ich glaube schon. Damit es mehr als nur Blödelei ist, muss es etwas Privates haben. Damit macht man sich verletzlich. Das wiederum legitimiert, dass ich nicht noch eine politische Message haben muss. So kann ich sagen: «Hey, meine Message ist, dass wir menschlich angreifbar sind. Jeder tickt anders. Ich ticke so. Jetzt könnt ihr euch daran bedienen.»
Sehr privat teilweise. Aber schon nicht so privat, dass ich auf der Bühne denke: Diese 400 Leute will ich jetzt nie mehr auf der Strasse sehen. Aber es ist schon alles sehr ehrlich.
Ja. Sobald es um andere Menschen geht – und das geht es ja schnell.
Aber für die ist es ja auch okay.
(lacht) Zumindest fast immer. Ich deute ihnen im Vorfeld an, was ich sagen werde, und wenn sie es komplett daneben finden, lasse ich es halt.
Ja. Ich denke sogar, dass das das Spannendste ist. Wenn die Leute sehen, dass da jemand steht, der eine Krise durchlebt hat, der jetzt aber darüber hinweg ist, kann sich das Publikum zum einen mit Schadenfreude an der Krise ergötzen, zum anderen aber auch Lehren ziehen, wie man aus einer Krise herauskommt. Da fühlt sich das Publikum danach stärker als vorher. Also vielleicht. Vielleicht merken Sie es, ich versuche gerade, mir Theorien aus dem Ärmel zu ziehen.
Danke.
... der kommt nicht mehr vor. Der hat sich abgeschafft.
Ein bisschen. Babys sind super.
Wenn ich mal Kinder will, dann schon Babys.
Weil Babys super sind. Das ist die kurze Antwort.
Babys zeigen uns, wie viel wir mal gewesen sind. Ich finde es komisch, wenn man sagt, dass Babys wie ein weisses Blatt sind und dann kommt immer mehr dazu. Babys können eigentlich schon alles und wir trainieren denen dann nach und nach alles weg. Die Sensibilität zum Beispiel. Babys merken, wenn jemand nicht ausgeglichen ist, und reagieren dann darauf. Das verlieren sie leider mit der Zeit. Zudem finde ich es spannend, zu wissen, dass jeder mal ein Baby war – auch Christoph Mörgeli war mal ein Baby, eine komische Vorstellung.
Das finde ich jetzt eine sehr persönliche Frage. Aber ja: Wenn ich mal Kinder will, dann schon Babys. Mit Babys anfangen, und dann schauen wir weiter.
Vorgestern.
Um das Kind, das in Spanien in den Brunnenschacht gefallen ist. Darüber kann man keine Witze machen. Es ist einfach nicht lustig. Es ist vor allem nicht nötig, dass man da Witze drüber macht.
Tote Kinder von jemand anderem, ja. Wären es meine eigenen, wäre es wohl etwas anderes.
Um Himmels willen, nein. Das ist nicht im Ansatz das Merkwürdigste. Ich weiss zwar nicht mehr was, aber da gab es noch viel üblere Dinge.
Einfach nix. Und vielleicht einen Screenshot für Twitter.
Wenn ich das Video selber gemacht habe schon. Bei der «Heute-Show» nicht. Da sind es schlicht zu viele Kommentare.
Ah, Sie lesen mir jetzt meine bösen Kommentare vor. Danke vielmals. Sehr cool.
Das sind alles Männer über 50.
Männer, die etwas auf der Bühne machen, sind eben auch selten hot (lacht). Die haben so viel Humor und Charisma, dass sie gar nicht schön aussehen müssen, um attraktiv zu sein. Aber natürlich würde ich nie so etwas als Kommentar schreiben. Ich habe auch noch nie gedacht: «Hey, der ist schön. Komm, ich frage ihn nach seinen alten Turnschuhen.»
Ach, natürlich ist das alles mühsam. Es ist doch für Sie sicher auch mühsam, dass Sie ein Gespräch mit einer Frau führen und sich dann im Vorfeld überlegen müssen, wie Sie sie drauf ansprechen, dass sie eine Frau ist. Das ist halt so. Man könnte 24 Stunden am Tag über Sexismus sprechen. Man kann es aber auch lassen und sich für 2 von 24 Stunden auf die Bühne stellen und ignorieren, dass 20 Prozent der Leute danach nur drüber reden, wie man aussieht. Ich mache das Ganze ja ganz grundsätzlich für die anderen 80 Prozent.
Etwa bei dreissig.
Uh (lacht). Vieles. Noch 70 Prozent mehr. Ich habe bis jetzt keine Dancemoves und keine Gesangseinlagen. Es wird mal wie bei DJ Bobo im Europapark. Jeder Comedian wäre im Grunde gerne ein Rockstar.
Danke. Wollen Sie noch meine Turnschuhe?
42.
Wir könnten ja tauschen.