Das Neuetheater in Dornach zeigt Mozarts Liebesverwirrungs-Komödie «Così fan tutte» als Kammerspiel.
Es ist immer wieder erstaunlich, zu erleben, wie wenig es doch braucht, um gutes Theater zu machen. «Così fan tutte» am Neuentheater in Dornach ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie mit Können und Leidenschaft der Mangel an Raum und Ressourcen kompensiert werden kann.
Auf 17 Spieler hat Bruno Leuschner Mozarts Orchester eingedampft. Man vermisst am Anfang ein paar Bläser-Farben, aber dann vergisst man ganz schnell, dass wir hier nicht die originale Partitur hören. Das liegt auch daran, dass im Da Vinci Orchestra sehr versierte Musiker aus der Region Basel spielen, die sich souverän sämtlichen solistischen Anforderungen in Mozarts Musik gewachsen zeigen.
Man spielt auf modernen Instrumenten, aber Leuschner pflegt ein durchaus historisch informiertes Klangbild, und die Durchsichtigkeit der kleinen Besetzung trägt das ihre dazu bei, dass Präzision und knackige Prägnanz auch in turbulenten Szenen nicht verloren gehen. Dazu kommt ein auf allen Positionen sehr gut besetztes Sextett aus überwiegend jungen Sängern, angeführt von der in Basels Opernwelt bestens bekannten Maya Boog.
Zugute kommt der Produktion natürlich, dass man Erfahrung hat in Dornach mit der Adaption vollständiger Opern für die Möglichkeiten des kleinen Theaters. Seit 2004 bereits ist Bruno Leuschner dort musikalischer Leiter der Opernproduktionen, noch drei Jahre länger leitet der Regisseur Georg Darvas zusammen mit Johanna Schwarz das Haus. Zusammen haben sie fast jedes Jahr eine Opernproduktion auf die Beine gestellt – darunter Glucks «Orpheus», Donizettis «Don Pasquale» oder «Die Fledermaus» von Johann Strauss.
Jetzt also die «Così», sicher eine der anspruchsvollsten Opern Mozarts. Die haarsträubende Verwechslungskomödie, die der geniale Librettist Lorenzo da Ponte nach Vorbildern aus der italienischen Commedia dell’arte mit leichter Hand aber sehr viel Menschenkenntnis entwarf, hat Mozart auf dem Höhepunkt seiner kompositorischen Meisterschaft veredelt. Mit einer Musik, die mit vielschichtigen Zwischentönen tief in die Seele der Protagonisten eintaucht. Ein Regisseur von heute kann also keine platte Klamotte abschnurren lassen. Gleichzeitig muss er die Geschichte irgendwie glaubhaft erzählen.
Ein lebenserfahrener Philosoph schliesst mit zwei verliebten jungen Offizieren eine Wette ab: Wenn sie seinen Anweisungen folgten, beweise er ihnen, dass die Treue ihrer Bräute wandelbar sei. Er schickt sie in den Krieg, um sie kurz darauf als exotisch verkleidete orientalische Adlige wieder auftauchen zu lassen und den beiden Geliebten übers Kreuz den Hof zu machen.
Man weiss wie es kommt: Nach Liebesschwüren, Selbstmorddrohungen und fingierten Vergiftungen rühren sich Mitleid und Verwirrung in den weiblichen Herzen, und unter tatkräftiger Mithilfe der Dienerin Despina finden sich die Paare nach bloss einem Tag verkehrt herum verheiratet wieder. Die Intrige wird aufgedeckt und in schönstem C-Dur beschwört man Verzeihung und die Lust am Leben und Lachen.
Aber eben: «Schwamm drüber» geht heute nicht mehr, ein Regisseur muss viele Entscheidungen treffen, will er der Tiefe der Gefühle dieser vier jungen Liebenden gerecht werden. Georg Darvas lässt seine «Così» radikal einfach beginnen: als Konzert. Sechs Sänger, sechs Stühle, sechs Notenhefte. Erst nach und nach schälen sich Bühnenbild und Requisiten aus den Vorhängen. Zu Beginn spielt das Ensemble mit dieser Situation: Man «spielt» die Verkleidungen, alle wissen alles voneinander. Das ist durchaus unterhaltsam, und die witzigen Elemente, die bis zum derberen Klamauk reichen, kosten Darvas und das Ensemble lustvoll aus.
Weniger präzis geht die Inszenierung mit der Fallhöhe des Stücks um. Der Weg vom «Konzert» in die emotionalen Tiefenschichten und zurück, verlangte klarere Zeichnung und präzisere Wegmarken. Der Einsatz von Video – eigentlich ein sehr probates Mittel, um Emotionen zu untermauern – wirkt wenig durchdacht.
Oder der Philosoph, der am Ende die Freude nicht teilt, sondern wütend abrauscht: Will man solche Geschichten glaubhaft erzählen, muss man sie besser vorbereiten und szenisch präziser führen. Dem Vergnügen an dieser Produktion tun solche Einwände wenig Abbruch. Aber bei einem Stück, an dem sich die besten Regisseure der Opernwelt die Zähne ausbeissen, kann man sie auch nicht verschweigen.
«Così fan tutte» Neuestheater Dornach, Vorstellungen bis Anfang Januar, www.neuestheater.ch.