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Von Lady Gaga bis George Clooney, von Hillary Clinton bis Donald Trump: Der Oltner Marco Grob (52) hatte sie alle schon vor der Linse. Für das International Photo Festival kehrt er in seine Heimatstadt zurück. Ein Gespräch über unfotogene Promis, den Schweizer «Mangel an Vorstellungsvermögen» und die neue Selfie-Kultur.
Marco Grob: Ja, auf seine Art schon. Ob jemand fotogen ist, hat ja nichts, aber auch gar nichts mit seiner Attraktivität zu tun. Sondern damit, wie die Kamera sein Gesicht liest. Fotografie ist wie eine Zeitmaschine, die alles verlangsamt und dem Betrachter die Möglichkeit bietet, ein Gesicht in Unendlichkeit zu studieren. So gesehen ein unglaublich brutales Medium.
Er ist bitter, machtversessen. Niemand, der eine natürliche Autorität hat. Vieles an ihm ist sehr aufgesetzt, er überspielt seine Unsicherheiten. Das lässt sich so leicht von seinem Gesicht ablesen wie die Inhaltsangaben auf einer Lebensmittelpackung.
So, wie man sie sich vorstellt – einfach durch den 1000-Watt-Verstärker gejagt. Erstmals traf ich ihn in seinem Büro im Trump Tower. Er trat sehr vulgär auf, würdigte meine Assistenten keines Blickes. Überall hingen Bilder von ihm, dazu kamen die goldenen Büsten. Wer macht so was? Ich dachte damals: Wenn du einen solchen Komplex hast, brauchst du einen Psychiater. Und jetzt ist er US-Präsident. (lacht)
Die Porträtfotografie war lange nur ein Hobby für mich. Ich habe in der Schweiz über zwanzig Jahre lang Kochbücher fotografiert. Das ist, wie wenn du Jazz-Gitarrist bist, aber eigentlich lieber Blues spielst. Irgendwann sagte ich mir: Jetzt muss etwas passieren. Als ich 37 war, verliess ich die Schweiz, ging zuerst nach Südafrika und schliesslich in die USA. Dort hatte ich das Glück, dass Kira Pollack auf mich aufmerksam wurde, die renommierte Fotochefin des «Time»-Magazins. Sie bot mir ein Shooting mit Hillary Clinton an.
Ich hatte das Glück, dass die Leute meinen Stil mochten. Plötzlich fotografierte ich George Clooney, Steve Jobs, Lady Gaga, den Gitarristen von Led Zeppelin. Manchmal frage ich mich heute noch, was hier eigentlich genau passiert. In der Schweiz sagen die Leute immer: «Du musst realistisch sein.» Für mich tönt das heute verdächtig nach einem Mangel an Vorstellungsvermögen. Denn nichts an meinem Weg ist realistisch, wenn man ihn von aussen betrachtet.
Da kann ich mich unmöglich festlegen – hinter jedem Foto steckt eine eigene Geschichte. Lady Gaga fragte mich ganz einfach: «Möchtest du mich mit einem explodierenden BH aufnehmen?» – Und dann machten wir das. George Clooney mag ich als Menschen sehr: Er ist witzig, geistreich, raumfüllend. Und wenn man als schlechtester Matheschüler aller Zeiten mit Stephen Hawking an einem Tisch sitzt, fragt man sich schon einen Moment, ob das gerade ein Traum ist.
Glücklicherweise wenige – ich will keine Namen nennen. Auffällig ist, dass es extreme Unterschiede zwischen den Berufsgruppen gibt. Am schwierigsten im Umgang sind Musiker. Bei den Schauspielern ist das Problem, dass sie in aller Regel nicht gern fotografiert werden. 24 Frames pro Sekunde sind kein Problem, aber einer geht gar nicht.
Wenn Fotografen in solchen Situationen sagen: «Sei einfach du selber», dann erwidern sie: «Es gibt einen Grund, warum ich Schauspieler geworden bin.» Ich habe keinen grossen Schauspieler getroffen, der es nicht hasste, fotografiert zu werden.
Vom 25.–27. August 2017 findet in Olten das erste internationale Photo Festival der Schweiz statt. Marco Grob hat den Event zusammen mit den Schweizer Fotografen Paul Merki und Remo Buess ins Leben gerufen. Das Publikum soll am Festival die Möglichkeit erhalten, Einblicke in das Schaffen von international tätigen Top-Fotografen zu erhalten.
Oh ja, klar. Manche Menschen sind zwar schön, wirken aber auf allen Fotos langweilig. Fast noch eindrücklicher ist aber das Gegenteil: Da läuft ein Schauspieler rein, und du denkst: «Was, das ist er jetzt also wirklich?» Dann schaust du durch die Kamera und merkst, warum dieser Typ 20 Millionen pro Film kassiert. Und wenn du sie wieder ausstellst, steht da einfach wieder ein Bubi. Ich habe bis heute nicht herausgefunden, was da genau passiert.
Für mich haben all die Selfies etwas Vulgäres. Wann hat das angefangen, dass sich alle Leute ständig in der Öffentlichkeit fotografieren wollten? Früher war das den meisten Menschen eher unangenehm – und dann ist das Eis plötzlich gebrochen. Am Wert einer guten Porträt-Fotografie ändern all die Selfies und Filter aber nichts. Nur weil es mehr seichte Popsongs gibt, klingt ein Beatles-Song in unseren Ohren ja auch nicht schlechter.
Ich habe die letzten US-Präsidenten fotografiert und möchte auch die nächsten zwei, drei unbedingt aufnehmen. Auch gegen einen Ausflug in den Buckingham Palace oder den Petersdom hätte ich nichts. Man muss sich immer hohe Ziele stecken (lacht). Und es ist mir wichtig, in meiner Arbeit relevant zu bleiben.
Es ist fast schon bizarr, dass meine Freunde – darunter einige der weltbekanntesten Fotografen – alle zusammen an den Ort kommen, an dem ich aufgewachsen bin. Als ich sie per SMS für das Festival anfragte, sagten viele noch am selben Nachmittag per SMS zu. Das hat mich sehr gefreut.