Die Schweiz ist Schwerpunktland an der Buchmesse. Das könnte der hiesigen Buchbranche Auftrieb verschaffen. Ein hoffnungsvoller Countdown und vier exemplarische Bücher aus der Lesevielfalt.
Bisher war es ein Vorrecht von Schoggi, Käse und Sackmessern. In wenigen Tagen wird jedoch ein Exportartikel der etwas anderen Art die Schweiz gen Norden verlassen: Die hiesige Literatur. Ob in der Sorte «herb» oder mit feinen Nuancen; ob geschrieben von Erfolgsautor Martin Suter oder der aufstrebenden Jungautorin Dorothee Elmiger, mal aus der geschliffenen – und oft spitzen – Feder eines Adolf Muschg, mal nach dem autobiografischen Hintergrund eines Lukas Bärfuss gefertigt, oder für einmal in Mundart, wie bei der Spoken Word-Gruppe «Bern ist überall»: Die Schweizer Literatur tritt in Leipzig an – und auf.
«Auftritt Schweiz» – so nennt sich nämlich der diesjährige Länderschwerpunkt der Buchmesse. Bestritten wird er von einer stolzen Formation mit über 80 Autoren sowie 75 hiesigen Verlagen (doppelt so viele wie sonst!). Der Countdown läuft: In zwei Wochen öffnet der zweitgrösste deutsche Event für Neuerscheinungen seine Tore.
Ein wenig schneller ticken die Uhren der Schweizer Literatur: «Vor der Messe, wenn die Branche noch zu Hause die Koffer packt, veranstalten wir in Leipzig ein Lesefest», verrät Dani Landolf vom SBVV (Schweizerischer Buchhändler- und Verlegerverband) – ein Auftritt also vor dem eigentlich «Auftritt».
Kuratiert wird dieser von Thomas Böhm, für das Programm zuständig ist eine Projektgruppe um Dani Landolf und Pro Helvetia. Das Gesamtbudget beträgt 550 000 Franken. Dafür geboten wird eine geballte Ladung an Veranstaltungen, vom Schnitzen mit dem Sackmesser über Lesungen, Quartettspielen mit Schriftstellern, literarischen Speed-Datings oder Ausstellungen zu aktuellem Schweizer Design und Kunst.
«Eine weltoffene, vielfältige Schweiz zeigen»
Dabei soll keineswegs nur ein traditionelles Bild mit Alpen, Tell und Schoggi vermittelt werden. «Wir wollen – gerade auch vor dem Hintergrund des Abstimmungsresultats zur fremdenfeindlichen Initiative der SVP – eine weltoffene, eine vielfältige Schweiz zeigen», erzählt Dani Landolf. Und der Doyen der Schweizer Literatur, Peter von Matt, doppelt nach: «Wenn man auf ein bestimmtes Bild abzielt, wird es Propaganda. Man soll gerade nicht auf dem «Schweizerischen» insistieren, sondern auf der Tatsache, dass in diesem Land gute Bücher geschrieben werden, die zur verbindlichen deutschsprachigen Literatur gehören.»
Eine Auswahl solcher Texte versammelt das eigens für die Messe herausgegebene Lesebuch. Das augenfälligste Geschenk der hiesigen Literaturbranche ist aber eine Parkbank, oder besser gesagt: viele Parkbänke. Sie werden – allesamt in helvetischem Rot leuchtend – die Leipziger Innenstadt zieren. «Die Bank ist ein Ort der Ruhe, der Begegnung», erklärt Kurator Böhm. «Deshalb haben wir die rote Bank – etwas typisch Schweizerisches – zum Emblem des Auftritts gemacht.»
Das Lesepublikum darf es sich also gemütlich machen. Das Gegenteil gilt für die Literatur. Sie soll im deutschen Sprachraum neues Terrain erobern. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den 50 000 Fachbesuchern der Messe. Diese wirken als «Multiplikatoren»: In Bibliotheken, Medien oder Verlagen tragen sie Neuerscheinungen und Neuentdeckungen zu den Lesern. Bestenfalls kommt es also mitten im Bücherfrühling zum erhofften Schneeballeffekt. «Die Leipziger Buchmesse ist seit vielen Jahren ein erfolgreicher Literaturvermittler», bestätigt Mediensprecherin Ruth Justen. «Der deutsche Buchmarkt kann den internationalen Durchbruch bedeuten.»
Auch für die hiesige Literatur besteht bereits vor der Messe Grund zu Optimismus. «Das Interesse ist immens», erzählt Landolf begeistert. «Plötzlich sind Schweizer Autoren bei Arte, 3sat oder sogar auf dem legendären «blauen Sofa» des ZDF zu Gast. Es hat sich eingestellt, was wir uns erhofft haben: Das Schweiz-Programm zieht Kreise.»
Die Leipziger Buchmesse findet vom 13. - 16. März statt. Infos unter: