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Fluggesellschaften, Wohnungen, Textilien, Restaurants und Möbel – es gibt wenig, was Alexander Girard nicht gestaltet hat. Das Vitra Design Museum zeigt die erste grosse Retrospektive zu einem der bedeutendsten Textildesigner und Innenarchitekten des 20. Jahrhunderts.
Schon im Alter von zehn Jahren gab es Anzeichen, dass Alexander Girard (1907–1993) ein berühmter Designer und Innenarchitekt werden sollte. Während der Zeit als Schüler eines britischen Internats (1917–1924) verbrachte er jede freie Minute damit, um das imaginäre Land «Republic of Fife» zu erfinden und mit Landkarten, Flaggen, Geldscheinen, Münzen, Briefmarken und Spielen auszustatten.
Im ersten Ausstellungssaal im Vitra Design Museum in Weil ist diesen Arbeiten ein Innenraum gewidmet. Girard war Amerikaner mit italienischen Wurzeln, der zeit seines Lebens eine enge Beziehung zu Florenz behielt, wo er aufgewachsen war.
Die Ausstellung zeigt eine Vielzahl von Textilien, Möbeln, Modellen, Kleinobjekten, Interieurs, privaten Dokumenten und Zeichnungen. «Seine spielerischen Entwürfe zeugen von Leidenschaft für Farben, Ornamente und internationale Volkskunst, mit der er die Ästhetik der Nachkriegszeit prägte und die Globalisierung des Designs vorwegnahm», so die Medieninformation.
Möglich wurde die Ausstellung, weil das Vitra Design Museum 1996, drei Jahre nach dem Tod Girards, seinen umfangreichen Nachlass erhielt. Eindrücklich ist vor allem die Farbenpracht der ausgestellten Werke und Installationen – auch ohne Vorwissen eine spannende Ausstellung. «In seiner Schaffenszeit zwischen den 1920er- und 1970er-Jahren entwarf Girard eindrucksvolle Interieurs für Restaurants, Privat- und Firmenkunden sowie über 300 Textildesigns – die meisten davon für die amerikanische Möbelfirma Herman Miller, zu deren Textildirektor er 1951 ernannt wurde.»
Zu seinen bekanntesten Werken gehört die Inneneinrichtung für das Irwin Miller House (1953–1957, Foto links) in Columbus, Indiana, mit Eero Saarinen als Architekten. Girard hatte Saarinen wie auch Charles und Ray Eames in Michigan kennen gelernt, wo er von 1939 bis 1953 in Grosse Pointe wohnte, einem von ihm entworfenen Haus, das er auf den Fundamenten zweier Häuser errichtete, die teils 200 Jahre alt waren.
In der Ausstellung können die Besucher sich an mehreren Stellen mit Diaporamas, die bis zu zehn Minuten dauern, über Aspekte des Lebens und der Arbeit von Girard informieren. Etliche der gezeigten oder ausgestellten Fotos stammen, wie auch die Aufnahme rechts, von Charles Eames.
1953 zog Girard nach New Mexiko in die Kleinstadt Santa Fe, die bis zum Lebensende seine Wahlheimat blieb. Santa Fe war der ideale Ausgangspunkt für seine Leidenschaft, Volkskunst zu sammeln. Bis 1979 trug er mehr als 100 000 Objekte zusammen. In einer riesigen Vitrine sind Figuren, Spielzeug, aber auch etliche Krippen zu sehen ◄– seine erste Krippe hatte Girard als Kind von seinem Grossvater in Florenz geschenkt bekommen.
1964 erhielt er vom Landmaschinenhersteller John Deere den Auftrag, ein Wandbild zur Geschichte der Firma von 1837 bis 1918 zu erstellten. Das Original sollte knapp drei Meter hoch und 60 Meter lang werden.
Interessant war die Aufgabe, das Interieur und Erscheinungsbild des New Yorker Themenrestaurants La Fonda del Sol zu gestalten. In 40 Varianten konzipierte Girard das gesamte farbenfrohe Erscheinungsbild von den Speisewagen, Tischsets, Geschirr und Besteck bis zur Speisekarte.
Sechs Jahre später, 1966, setzte Girard bei der Gestaltung des gehobenen französischen Restaurant L'Etoile, ebenfalls in New York, vornehmlich auf schwarz-weiss und gedeckte Töne. Auf Acrylscheiben konnten die Besucher die Namen von 500 berühmten Franzosen lesen.
Bei einem Auftrag von 1956 widmete Girard sich dem Thema «8 Table Settings», bei dem er acht Tische für acht verschiedene Anlässe und Personenkonstellationen eindeckte und aufwendig dekorierte.
1965 engagierte Lawrence Harding, Präsident der in Dallas beheimateten Fluggesellschaft Braniff Airways, Girard, dem Unternehmen ein neues Gesicht zu geben. Sechs Monate arbeite der Designer an dem Auftrag und liess die Flugzeuge bis auf Heckflossen und Flügel in sieben aufeinander abgestimmten Farben lackieren. Das gleiche Farbschema gab es im Innern der Flugzeuge und bei den Servicefahrzeugen. Dazu entwarf er eine neue Schrift, Logos und Drucksachen.
Alexander Girard. A Designers’s Universe. Vitra Design Museum, Weil am Rhein bis 29. Januar 2017, täglich 10 bis 18 Uhr. www.design-museum.de