Das Festival Treibstoff eröffnete mit einer kopf- und körperlastigen Doppelpremiere.
Auf der Bühne des ehemaligen Roxy-Kinos kauern und liegen fünf Performer mit den Rücken zum Publikum auf einem kargen Boden. Lange geschieht nichts. Die Stille dominiert. Einer der kauernden Körper zuckelt und ruckelt, fein und unauffällig. Einer deutet an, aufzustehen. Nur mühsam und langsam werden einzelne Gliedmassen verschoben, aufgerichtet und durch den Raum geschoben. Der Blick der Performer führt unter die Decke, sucht, ertastet wie ein Blinder den Raum und die Zuschauertribüne.
Die wenigen Handlungen beschränken sich auf das Betrachten, Suchen und Imaginieren von Handlungen. Allem voraus geht ein Gedankenexperiment, das seinen Ursprung im Findling gefunden hat. Einem riesigen Steinkoloss, der vor langer Zeit einmal, als das Eis unter ihm wegschmolz, auf der Fahrbahn liegengeblieben ist. Was bedeutet Zeit in Anbetracht der Feststellung, dass es Dinge gibt, die seit Jahrtausenden immobil in der Landschaft ruhen? Was ist Ewigkeit? Und wie lässt sich diese darstellen? Wie der Findling scheint ihr Theaterstück auf der Strecke geblieben zu sein. Die jungen Nachwuchskünstler, die aus 200 Bewerbungen von der Treibstoff-Programmgruppe ausgewählt wurden, wissen nicht, wohin sie ihr Stück Theater schieben sollen, in welche Richtung und wozu — so jung und schon in der Sinnkrise?
Aus dieser eher kopflastigen und bemühten Performance werden die Zuschauer mit einer Dose Prosecco und Sandwiches als Wegzehrung aus dem Roxy entlassen und auf einen Fussmarsch zur «Grossen Schlacht» geschickt, zum nächsten Stück. Der Weg führt über das Kraftwerk am Rhein, an tosendem Gewässer vorbei und auf einen knallig kitschigen Rosahimmel zu. Ein pathetisches Naturbildnis als Vorbote der kommenden Ereignisse: Auf dem Fussballfeld des Rankhof-Stadions erwarten 1500 Eidgenossen und 20 000 französische Söldner die Zuschauer — in Form von vier Darstellern und Darstellerinnen. Die Schauspielerin Friederike Falk, der neue Hausautor des Theater Basels Philippe Heule, die Theaterpädagogen Patrick Oes und Elina Wunderle übernehmen die unmögliche Aufgabe: Sie mimen die Schlacht bei St. Jakob an der Birs im Jahr 1444.
In sportlich bunten Fussballtrikots stecken sie das Feld ab, Heule belustigt die Tribüne mit tänzerisch ulkigen Opfer- und Heldenposen und wird kritisch kommentiert. Falk berichtigt historische Quellen, verweist auf politisch unkorrekte Bezeichnungen, und bietet dem klamaukigen Pathos der Inszenierung Parole. Heule, Oes und Wunderle sprinten und hechten derweil, stürmen mit wildem Geschrei aufeinander los, prügeln und raufen sich, schlagen mit orangen Plastikhütchen aufeinander ein. Falk überlässt das Schlachten ihren Kollegen und versucht stattdessen, die Zuschauer mit Informationen zu beliefern. 1500 Eidgenossen trafen im Grenzgebiet bei St. Jakob auf 20 000 französische Söldner und wurden besiegt. 6000 Krieger verloren auf dem Schlachtfeld ihr Leben, davon war die Mehrheit zwischen 14 und 19 Jahre alt.
Die Schlacht wurde später als heroische Rettung der Stadt umgedeutet; heute gilt sie als historisch irrelevantes Ereignis, da sie, wie Falk betont, keinerlei Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Geschichte hatte. Die «Grosse Schlacht» ist eine pathetisch martialische und klamaukige Inszenierung einer Geschichtslektion, die zum Schluss in anarchischem Kriegsgemetzel endet. Vom Abend beschwingt, unterhält sich das Publikum zu Bier und Bratwurst in die lange Nacht hinein.