Interview
Comedian Fabian Unteregger: «Pannen führen manchmal zu den besten Momenten»

Er ist Comedian, Arzt und Helikopterpilot: Im Interview spricht Fabian Unteregger (40) über ungeeignete Bundesräte, verdutzte Patienten und Kritik am Schweizer Fernsehen.

Yannick Nock und Benjamin Weinmann
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«Das Komiker-Hirn ist nie ausgeschaltet. Ich mache mir immer Notizen»: Der Stimmen-Imitator Fabian Unteregger im Zürcher Niederdorf.

«Das Komiker-Hirn ist nie ausgeschaltet. Ich mache mir immer Notizen»: Der Stimmen-Imitator Fabian Unteregger im Zürcher Niederdorf.

Sandra Ardizzone

Seit wenigen Wochen ist Fabian Unteregger mit seinem Stand-up-Programm «Doktorspiele» auf Tournee. Zum Treffen mit der «Schweiz am Wochenende» im Zürcher Niederdorf kommt er pünktlich, auch wenn der Komiker zuerst mit dem Handy am Ohr am Café vorbeiläuft. Während des Interviews zeigt Unteregger auf einen Passanten mit rot-schwarzem Tattoo auf dem Arm. «Bei der roten Farbe ist die Wahrscheinlichkeit am grössten, dass es zu einer Autoimmunreaktion kommen wird», sagt er. Unteregger bleibt während des Gesprächs immer beides: Komiker und Mediziner.

Herr Unteregger, was ist schwieriger, Leute zum Lachen zu bringen oder ihnen Blut zu nehmen?

Fabian Unteregger: Das kommt auf die Situation an. Ein todmüdes Publikum zum Lachen zu bringen, ist ungefähr gleich schwierig, wie einem Patienten Blut zu entnehmen, bei dem man die Vene weder sieht noch spürt. Da spreche ich aus Erfahrung. Während meines Aufenthalts in einer Unfallchirurgie in Südafrika habe ich vielen dunkelhäutigen Patienten Blut abgenommen. Bei ihnen sieht man die Venen meistens nicht, man muss sie ertasten. Das war eine gute Lehrstunde.

Ein Mann, viele Stimmen

Bekannt geworden ist Fabian Unteregger als Parodist von Schweizer Berühmtheiten auf Radio SRF. Zu seinen beliebtesten Stimmen zählen Christoph Mörgeli, Roger Federer oder Christoph Blocher. Zurzeit ist er mit seinem Soloprogramm «Doktorspiele» auf Schweizer Tournee. Unteregger ist einer der erfolgreichsten Kabarettisten des Landes. Zuletzt wurde er mit dem Prix Walo ausgezeichnet.

Neben der Comedy gilt seine Leidenschaft der Medizin. Sein Studium schloss Unteregger mit Spitalpraktika im In- und Ausland ab. In diesem Jahr machte er seinen Doktortitel. Thema seiner Doktorarbeit waren die menschlichen Stimmbänder. Parallel zur Comedy hält der 40-Jährige Vorträge über das Auftreten vor Publikum und publiziert in medizinischen Journals. Vor der Medizin schloss er ein Studium als Lebensmittelingenieur an der ETH ab. In seiner Freizeit fliegt Unteregger gerne mit Helikoptern. Zuletzt hat er das Brevet gemacht. Der Komiker lebt in Zürich. Über sein Privatleben gibt er kaum etwas preis.

Was haben Sie in Kapstadt erlebt, was Sie in Schweizer Spitälern kaum gesehen haben?

Man trifft Menschen, die einfach Pech hatten oder denen Gewalt angetan wurde, sei es durch Messerstiche, Schüsse oder Bisse. Als ich zurückgekommen bin, hatte ich Mühe, die Probleme mancher Patienten in der Notaufnahme ernst zu nehmen. Einige kommen mit einem Schnupfen und werden nervös, wenn sie nach 15 Minuten nicht behandelt werden. In Südafrika mussten übel zugerichtete, aber nicht lebensbedrohlich verletzte Patienten wegen der überlasteten Notfallstation manchmal stundenlang warten.

Wurden Sie in Südafrika auch mit dem Tod konfrontiert?

Ich war als Unterassistent tätig. Es ist krass, wenn einem Patienten ein weisses Tuch über den Kopf gezogen wird, dem man vor einer Stunde noch Blut entnommen hat. Speziell ist auch, wenn die Pupillen nicht mehr reagieren. Da weiss man, dass der Patient durch ein Trauma wahrscheinlich eine Hirnblutung erlitten hat und es oft nur eine Frage der Zeit ist, bis er stirbt. Nicht weil man nichts dagegen tun könnte, sondern weil es zu wenig Ärzte und Operationssäle für eine rasche Intervention gibt. Das ist ein übles Gefühl der Ohnmacht.

Waren diese Erfahrungen ein Grund, heute lieber Comedy zu machen?

Nein, die Freude an der Medizin ist immer noch da. Sonst würde ich nicht publizieren. Aber ich hatte nach dem Studium einfach Lust, ein eigenes Programm zu schreiben und damit auf Tournee zu gehen.

Im Studium behandelten Sie Patienten. Als Comedian behandeln Sie gemäss eigener Aussage die Gesellschaft. Woran krankt die Schweiz?

Wenn man das Sorgenbarometer anschaut, sind das Probleme wie die Altersvorsorge, Flüchtlinge oder Jugendarbeitslosigkeit. Trotzdem stehen wir im internationalen Vergleich natürlich privilegiert da. Ich denke, wir Schweizer dürften etwas entspannter sein. Wenn ich in Zürich einen Fremden auf der Strasse mit «Grüezi» begrüsse, löst das keine Freude, sondern Irritation aus. Sie haben das Gefühl, etwas stimmt nicht. Da sind die Engländer zum Beispiel ganz anders, bei ihnen ist der Humor tiefer in der Gesellschaft und im Alltag verankert.

Das hilft bei der Bewältigung von Problemen?

Lachen hat einen körperlichen Effekt. Es werden Glückshormone ausgeschüttet. Nach einem Lachanfall ist der Muskeltonus bis zu 45 Minuten tiefenentspannt. Comedy ist ein preiswertes Psychopharmakon.

Dann sind Sie ja doch als Arzt auf der Bühne.

Das Ziel der meisten Ärzte ist es, etwas Gutes zu tun. Das ist beim Komiker auch so. Es gibt durchaus Parallelen.

Welcher Humor sagt Ihnen zu?

Der britische. Ich mag Ricky Gervais oder Sacha Baron Cohen, den man vor allem in seinen Rollen als Borat oder Ali G. kennt. Ich mag es böse. Oft ist Comedy zu bieder oder zu lieb.

Ihre Auftritte sind doch auch eher lieb.

Das kommt auf das Setting und den Auftrag an. Bei «Giacobbo/Müller» war ich in einer Rolle zu sehen, die in den Kontext der Sendung passt. In meinem Programm «Doktorspiele» kann ich deutlich mehr Gas geben. Die Leute im Saal zappen ja nicht weg. Ich finde, Comedy muss ein bisschen böse sein, sonst ist es nicht lustig.

Haben Sie sich bei «Giacobbo/ Müller» eingeengt gefühlt?

Das nicht, aber man spielt eben eine Rolle. Man muss seine Funktion unter der Dachmarke erfüllen. Das ist völlig in Ordnung. Wichtig ist nur: Comedy muss unterhalten.

Wie unterhaltend sind die aktuellen Bundesratswahlen?

Die Kriterien, nach denen man Kandidaten aussucht, sind doch eher absurd als unterhaltend.

Cassis, Moret, Maudet: Wen aus diesem Trio würden Sie der Schweiz verschreiben?

Wahrscheinlich würde ich der Schweiz aus ärztlicher Sicht ein anderes Medikament verschreiben. Ich mache einen Vergleich: Ein Patient geht in die Apotheke, weil er das beste Herz-Kreislauf-Medikament braucht. Woher dieses kommt, ist ihm egal. Der Apotheker jedoch bietet ihm drei andere Medikamente an, keines davon jedoch für Herz-Kreislauf-Probleme: Das erste Medikament aus dem Tessin kennt man nur von Labortests, das zweite aus dem Waadtland ist homöopathisch, aber kaum verfügbar, wenn man es braucht, und das dritte aus Genf ist relativ neu auf dem Markt und wurde ursprünglich gar nicht als Medikament entwickelt.

Fabian Unteregger: «Comedy ist ein preiswertes Psychopharmakon.»

Fabian Unteregger: «Comedy ist ein preiswertes Psychopharmakon.»

Sandra Ardizzone

Aber was, wenn eines der Medikamente seit Jahren nicht mehr zum Zuge gekommen ist?

(lacht) Wenn eines seit Jahren nicht mehr zum Einsatz gekommen ist, dann hat das einen Grund. Dann muss man sich überlegen, das Medikament vom Markt zu nehmen.

So läuft es in der Politik aber nicht.

Das ist doch das Problem. Wir sollten die fähigsten Leute suchen, so wie das tagtäglich in Unternehmen der Fall ist. Wir müssen uns fragen, ob die Tendenz zu Berufspolitikern der richtige Weg ist. Brauchen wir nicht primär fähige Arbeitnehmer und Unternehmer in der Politik? Wer finanziell nur von seinem Mandat abhängig ist, vertritt irgendwann nicht mehr die Werte, für die er ursprünglich gewählt wurde. Dann obsiegen die Lobbyisten. Das sehen wir momentan in den USA. Dort entscheiden finanzstarke Spender wie die Koch-Brüder, welche Positionen Politiker vertreten.

Wo stehen Sie politisch?

Hoffentlich vernünftig auf beiden Beinen.

Dann anders gefragt: Wollten Parteien Sie als Mitglied gewinnen?

Es gab tatsächlich einige Anfragen, aber ich will nicht politisieren. Mein Ziel ist es, in der Comedy die Leute zu unterhalten, sie zum Lachen zu bringen. That’s it.

Dabei hat die politische Satire Hochkonjunktur. Sie selbst parodieren Donald Trump.

Stimmt, aber in der Schweiz leiden wir nicht primär unter den Konsequenzen. Ausserdem ist es schwierig, unterhaltsamer zu sein als die aktuelle US-Regierung selbst und natürlich auch als die Satiriker in den USA. Stephen Colbert, Trevor Noah und Co. sind grossartig.

Die Schweizer Comedy-Szene ist dagegen sehr klein. Warum?

Das liegt vermutlich daran, dass wir mit dem SRF eigentlich nur ein Medium haben, das verschiedene Kanäle für Comedians zur Verfügung stellt. Doch die Plätze sind limitiert. Es gibt «Comedy aus dem Labor», «Deville» und früher «Giacobbo/Müller».

Ist das SRF nicht mutig genug, neue Formate ins Programm aufzunehmen?

Mich hat überrascht, dass nach «Giacobbo/Müller» sehr schnell einige Formate ausprobiert wurden, die nicht ganz ausgereift wirkten. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Viktor Giacobbo und Mike Müller von heute auf morgen aufgehört haben. Da hätte man vielleicht besser vorbereitet sein können. Aber grundsätzlich sind dort Leute am Werk, die genau wissen, was sie tun.

Welche Comedy möchten Sie beim SRF sehen?

Am liebsten mehr Stand-up-Comedy. Das Format ist sehr direkt und saumässig lustig. Alles, was man braucht, ist ein Mikrofon. Hier haben Talente die Chance, einiges auszuprobieren. Man muss seine Erfahrungen machen, gute wie schlechte. Bei der Comedy muss man manchmal Scheisse fressen, um es deutlich zu sagen. Aber Pannen können manchmal zu den besten Momenten führen. Bei einer Panne spätestens trennt sich die Spreu vom Weizen. Hier merkt das Publikum, wie schlagfertig und einfallsreich jemand ist. Das Publikum liebt das.

Sie werden oft erkannt: Wie haben die Patienten auf Sie als Arzt reagiert?

Die Reaktionen waren stets positiv. Einmal wurde ein Patient von seinem Vater in die Nachkontrolle begleitet, weil er ein Foto mit mir machen wollte. Ein anderes Mal fragte ein Patient, wo die versteckte Kamera sei. Grundsätzlich macht ein Spitalbesuch ja nicht gerade Freude. Aber wenn es dort etwas gibt, das man kennt, sei es ein Gesicht oder eine Stimme, hat man positive Assoziationen – ausser der Arzt heisst Mike Shiva. (lacht)

«Die Leute haben Freude, wenn ich den Mörgeli mache.»

«Die Leute haben Freude, wenn ich den Mörgeli mache.»

Sandra Ardizzone

Sie hätten eine klassische Ärztelaufbahn starten können. Statt Leben zu retten, erzählen Sie nun Witze. Wie haben Ihre Eltern auf diesen Entscheid reagiert?

Das war schwierig, klar. Wenn ein 30-Jähriger seinen Eltern sagt, so, ich werde jetzt Berufspilot bei der Swiss, dann finden sie das interessant. Sie kennen die Firma und hoffen, gratis in die Ferien fliegen zu können. Dabei ist die Aviatik-Berufswelt mit BusinessModellen, wie sie zum Beispiel Norwegian pflegt, auch nicht mehr so komfortabel, wie sie einmal war.

Und beim Komiker-Beruf?

Dann denken die Eltern erst mal an Peach Weber. Und vielleicht noch an Marco Rima. Und dann merken sie, dass sie keinen Komiker in ihrem Umfeld kennen. Folglich ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass es nicht funktioniert. Deshalb waren meine Eltern skeptisch. Letztlich bin ich aber der Meinung, dass man seiner Passion nachgehen soll. Mein Horror wäre es, acht Stunden am Tag in einem Beruf zu verbringen, der mir überhaupt nicht gefällt.

Neben Ihrem Studium und der Karriere als Komiker haben Sie die Helikopter-Fluglizenz erworben. Wie oft heben Sie ab?

Diesen Sommer einige Male. Ich flog unter anderem einen Pfarrer mit seiner Frau und deren Sohn an ihrem Hochzeitstag dorthin, wo sie geheiratet hatten. Und danach auf einen Gupf für einen Apéro. Das war berührend und hat mir grossen Spass gemacht.

Ist das ein zweites kommerzielles Standbein?

Nein, kommerzielle Flüge darf ich mit meinem Brevet, zumindest noch nicht, anbieten. Aber man darf kostendeckend mit mir mitfliegen.

Welche Ziele haben Sie als Komiker in den nächsten Jahren? Ein Film zum Beispiel?

Nein, ich konzentriere mich auf meine Soloshows. Filmambitionen habe ich keine.

Werden Sie auf der Strasse oft von Leuten angesprochen und gebeten, eine Stimme zu imitieren?

Häufiger fragen Sie mich nach einem Selfie. Aber klar, die Leute haben nach wie vor Freude, wenn ich den Mörgeli mache, den Blocher oder den Leuenberger. Das sind Evergreens. Auch Baschi und Stefan Eicher sind gefragt.

SVP-Alt-Nationalrat Christoph Mörgeli ist auf der politischen Bühne nicht mehr so präsent wie früher. Wie lange ist seine Imitation noch populär?

Fragt sich, ob er bei den nächsten Wahlen wieder kandidiert. Darauf hoffe ich natürlich! (lacht) Ich find es ohnehin gut, wenn es im Parlament ein paar Wadenbeisser gibt. Das macht den eher zum Gähnen anregenden Politbetrieb ein wenig unterhaltsamer.

Gibt es eigentlich Stimmen, die Sie gerne imitieren würden, die aber einfach nicht hinhauen?

Shakira ist schwierig. Die tönt wie eine Bergziege, die sich in einem Stacheldraht verfangen hat.

Erlauben Sie sich manchmal auch Spässe im Alltag mit Ihrem Stimmen-Repertoire?

Ab und zu schon. Einmal habe ich die Universität Zürich angerufen als Vujo Gavric (beginnt den «Bachelor» zu imitieren), und sagte: Ich wäre gerne in der Wirtschaft. Dann wurde ich ans Wirtschaftsdekanat weitergeleitet. Und ich sagte: Ich hab den Bachelor gemacht und mein Diplom noch nicht erhalten! Die waren völlig perplex. (lacht)

Arbeiten Sie an einem neuen Programm?

Ständig! Das Komiker-Hirn ist nie ausgeschalten. Ich mache mir immer Notizen, und wenn’s gut kommt, entsteht daraus irgendwann vielleicht ein Programm.

Und wenn alle Stricke reissen, eröffnen Sie eine Arztpraxis?

Das ist immer eine Möglichkeit. Die Arbeit als Mediziner macht mir genauso viel Freude.