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Carena Schlewitt spricht vor ihrem Abschied von Highlights und Enttäuschungen in Basel.
In den Gängen der Kaserne Basel stehen Kartons bereit. Der Umbau beginnt demnächst. Die Büros werden für zweieinhalb Jahre an den Claragraben verlegt. Für knapp Noch-Leiterin Carena Schlewitt ist der Wegzug endgültig. Sie übergibt die Leitung des Dreispartenhauses nach zehn Jahren an Sandro Lunin und zieht nach Dresden. Dort hat sie die Leitung des Festspielhauses Hellerau übernommen. Zuvor gibt es aber noch ein Fest zu ihren Ehren und ein Buch, die «Chronik eines Jahrzehnts» (siehe Kasten). Und es gibt ein letztes Gespräch über ihre Zeit in Basel.
Carena Schlewitt: Das fühlt sich gerade wirklich wie ein Ende an. Die Umbauten hier im Kopfbau Kaserne beginnen bald. In zweieinhalb Jahren wird das alles anders aussehen und sich wohl auch anders anfühlen.
Ich habe in den letzten Monaten schon gemerkt, dass zehn Jahre eine lange Zeit sind, und es ist ein merkwürdiges Gefühl, jetzt den Schnitt zu machen. Der Abschied fällt mir nicht leicht.
Das Geld kommt ja der Szene zugute. Klar hätte ich mir diese Erhöhung auch schon früher gewünscht. Auf der anderen Seite haben wir ja dennoch viele Projekte realisiert – mithilfe von Drittmitteln, mit Partnern in der Stadt und mit Netzwerken. Eine aktive Basler Szene ist entstanden und wir konnten das Theaterfestival reaktivieren. Ich habe mich bewusst entschieden, den Schritt des Abschieds zu gehen. Insofern bedauere ich ihn nicht.
Ganz wichtig ist, dranzubleiben, zu beobachten, wie sich die Theater-, Tanz- und Kunstszene verändert, auch im Kontext der internationalen Entwicklungen ...
«Echoraum Kaserne Basel – Chronik eines Jahrzehnts» heisst die Publikation, die zum Abschluss der Ära von Carena Schlewitt erscheint. Die künstlerische Leiterin der Kaserne hat das Buch gemeinsam mit ihrem Dramaturgen Tobias Brenk und der Kulturjournalistin Dagmar Walser herausgegeben.
Künstlerinnen und Beobachter der Kaserne Basel berichten über Produktionsbedingungen, die sich verändern, und erzählen, wie die Kaserne ihr Schaffen beeinflusst hat. Schlewitt selbst schreibt über das «Blind Date», das sie vor zehn Jahren mit Basel eingegangen ist. Weggefährten wie Alexandra Bachzetsis, Boris Brüderlin oder Marcel Schwald kommen in Gesprächen zu Wort. Neben diesen redaktionellen Teilen besteht das Buch aus einer Chronik, die auf den ersten Blick irritiert: Eine Auflistung der Produktionen der letzten zehn Jahre? Bei genauerem Lesen und Eintauchen wird die Chronik jedoch zu einem Gang durch Erinnerungen. Nicht nur die Theater- und Konzerterlebnisse in der Kaserne werden spotartig beleuchtet. Auch prägende Veranstaltungen anderer Institutionen, wichtige politische Ereignisse Jubiläen und Todestage sind gelistet. Eine richtige Chronik eben.
Die Basler Künstlerinnen und Künstler arbeiten heute oft international vernetzt. Es gibt nicht mehr nur die Produktionen vor Ort oder schweizweit. Die Kulturpolitik muss deshalb neue Fördernetzwerke bewusst mitdenken und die Fördermassnahmen sollten sich auch dahin ausrichten. Dazu gehören Residenzen, Austauschprogramme, Proberäume vor Ort. Diese Prozesse muss man begleiten und umgekehrt müssen die Häuser und Künstler und Künstlerinnen ihre gewandelten Bedürfnisse auch kommunizieren. Ich hab das immer als Partnerschaft gesehen, bei der man gemeinsam etwas will für die Stadt.
Natürlich geht es zuvorderst um eine künstlerische Ausrichtung. Aber in vielem ist man als Leiterin in der Tat eine Vermittlerin zwischen den unterschiedlichsten Partnern, um die Möglichkeiten eines solchen Hauses voll ausschöpfen zu können. Glücklicherweise macht man das nicht alleine, sondern mit einem Team.
Kulturpolitisch waren das schon die drei Stationen der Subventionserhöhungen. Nach den ersten beiden sehr schwierigen Jahren mit viel Kritik war die Erhöhung 2010 für uns schon die Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein. Es war eben keine knappe, sondern eine deutliche Abstimmung. Das war auch 2016 so und hat uns wieder sehr gefreut. Und zwar nicht nur wegen der Abstimmungsquote, sondern auch wegen der vielen inhaltlichen Voten für unser Modell.
Ich schätze die Nahbarkeit der hiesigen Politikerinnen und Politiker sehr. Auch die Art und Weise, wie hier versucht wird, gemeinsam Lösungen zu finden. Eine solche Abstimmung bedeutete immer, dass wir den Politikern unser Modell erklären konnten. Sie sind offen für Gespräche und sind auch hin und wieder in unsere Vorstellungen gekommen!
Im Grunde waren die ersten zwei Jahre ein andauernder Tiefpunkt (lacht). Wir hatten es mit der Aneinanderreihung und Verkettung von vielen schwierigen Situationen zu tun. Immer, wenn wir dachten, jetzt sind wir durch, kam ein neuer Krisenherd. Das war schon eine schwierige Zeit. Gerettet haben uns letztendlich die künstlerischen Höhepunkte, die Unterstützung der Künstler und Künstlerinnen und das Publikumsinteresse, das von Beginn an da war.
Ich hätte gerne ein noch stringenteres internationales Programm gemacht und weitere thematische Schwerpunkte gesetzt. Das ist aber immer eine Frage der Finanzen. Und: Wir konnten leider ein Projekt nicht verwirklichen, die Rheingassen-Oper. Aber vielleicht wird diese Idee wieder einmal aufgenommen.
Dezidierte Schauspielproduktionen sind mittlerweile vor allem am Stadttheater angesiedelt. Das hat wahrscheinlich mit der Ensemblestruktur zu tun. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich das ändert.
Gesellschaftliche und politische Themen spielen eine grosse Rolle. Die Geschichte steht vermehrt im Mittelpunkt und auch die Kunsttraditionen an sich spielen wieder eine Rolle. Und wir stehen am Anfang einer Entwicklung, in der sich die Performing Arts stärker den verschiedenen Formaten der Neuen Medien, etwa Virtual Reality, zuwenden. Das wird in den kommenden Jahren sicher noch stärker eine Rolle spielen.
Das ist eine gute Frage! Ich beobachte bei den jungen Absolventen, dass sie die ganzen Theorie- und Fach-Diskurse ihrer Ausbildung als Rucksack mitbringen. Das ist natürlich spannend im Kontext unserer Zeit, aber manchmal vermisse ich die Lust zum unbelasteten Experiment auf der diskursfreien Spielwiese. Wichtig ist doch die Frage, in welchen Dialog man eintreten möchte, mit welchem Publikum. Theater und Tanz fordern diesen unmittelbaren Dialog. Da liegt gerade die Chance.
Das hört man in vielen Städten. Schaut man sich das Angebot aber genau an, sieht man, dass es ein sehr breites Spektrum gibt, das die unterschiedlichsten Publika abdeckt. Sicher könnte man darüber nachdenken, ob es ähnlich wie Slow Food auch eine Art Slow Theatre geben sollte. Meine Erfahrung ist jedoch, dass es kaum Regeln dafür gibt, wann das Publikum kommt und wann nicht. Auch nach zehn Jahren nicht.
Ich sehe sie als etablierten Ort, als Drehkreuz für Künstlerinnen und Künstler, als Arbeits- und Produktionsort. Als einen Ort, der weiterhin mit Institutionen in der ganzen Stadt kooperiert und bestimmte Themen für die Gesellschaft setzt. Die Kaserne sollte weiterhin ein Hotspot für die Performing Art bleiben. Natürlich ist das – verglichen mit Kino, Film, Netflix etc. – eine Nische. Die Publikumszahlen werden nie in die Hunderttausende gehen. Aber gerade diese Künste, die diesen Dialogcharakter mit dem Publikum haben, sind meines Erachtens für die Gesellschaft immer noch sehr wichtig. Ich hoffe, dass dies auch kulturpolitisch weiterhin so gesehen wird.
Der Vertrag gilt jetzt erst mal für fünf Jahre. Aber es gibt dort einiges zu tun für die freie Szene, auch wenn es eine aktive Tanzszene gibt, die in den letzten Jahren mit sehr wenigen Mitteln sehr viel auf die Beine gestellt hat. Es wird auch in Dresden um Proberäume gehen und darum, die jungen Absolventen der Kunsthochschulen in der Region für das Haus zu gewinnen. Vorerst gibt es aber auch dort noch einen Umbau.
Nein. Definitiv nicht.