Mit akrobatischen Höhenflügen begeistert der Cirque du Soleil bald das Schweizer Publikum. Was ist das Erfolgsgeheimnis dieses Zirkus?
Ein grüner Stoffbaldachin hängt über der runden Bühne der Londoner Royal Albert Hall, eindrucksvoll erhebt sich über uns die hohe Kuppel. Es ist ein ungewohnter Spielort für den Cirque du Soleil, der sonst mit dem eigenen Zelt unterwegs ist. Doch die Atmosphäre des Zirkus passt wunderbar in dieses pompöse Gemäuer, wo sonst Opern und Konzerte die Bühne bespielen.
Waldgeräusche ertönen, ein argloser Clown in schlabbriger Kleidung versucht verzückt, seinen Drachen steigen zu lassen. Er heisst Innocent – der Unschuldige. Als er eine mysteriöse Kiste öffnet, entspringt aus ihr der gerissene Trickster in einem Anzug wie gestreiftes Bonbonpapier, der mit seinen magischen Kräften den Zirkus zum Leben erweckt. Der naive Clown wird vom neckischen Magier durch dessen fantastische Welt geführt und trifft auf skurrile, liebenswerte wie angsteinflössende Figuren.
Vor zehn Jahren kannte kaum jemand in Europa den Cirque du Soleil, der 1982 von einer Truppe junger Strassenkünstler in Quebec gegründet wurde. Mittlerweile hat das Unternehmen 34 Shows produziert, wovon zwanzig heute noch in aller Welt vorgeführt werden. Was ist das Erfolgsgeheimnis dieses Zirkus?
Der Cirque du Soleil ist ein Mix aus traditionellem Zirkus und Theater. Die kreative Leitung, bestehend aus gut vierzig Köpfen, verpackt die akrobatischen Nummern in verführerische Erzählungen. Jede neue Show wird von der Musik über die Kostüme bis zu den Kunststücken durchkomponiert. Die Artisten kommen aus 18 verschiedenen Nationen, Tiere gibt es keine.
Für den Artisten Ganjuur Boldbaatar ist vor allem das akrobatische Niveau herausragend: «Kooza ist unter allen Shows die extremste. Die Kunststücke sind schwieriger und akrobatischer als zum Beispiel 1992 bei Saltimbanco, wo mehr das Tänzerische im Vordergrund stand.» Der Mongole stiess vor elf Jahren zum Cirque du Soleil und erzählt: «Ich hatte noch nie einen schweren Unfall, höchstens ein verstauchtes Gelenk. Der einzige Grund, weswegen ich einmal in einer Show fehlte, war die Geburt meines Kindes.»
Eine Besonderheit des Zirkus sind auch die Kostüme. Als wahrer Blickfang definieren sie den jeweiligen Charakter. Die Designer in Montreal liessen sich von Comics und Geschichten wie «Alice im Wunderland» inspirieren, womit ein buntes Ensemble von über 250 handgefertigten Stücken entstand.
Als uns Colette Livingston, die Schuh-Spezialistin, ihr Lieblingsstück zeigt, zieht sie einen schwarz-weissen Anorak hervor, grosszügig bestückt mit echten Swarovski-Steinen. Es ist die Jacke der Todes-Figur, die später im Scheinwerferlicht spektakulär glitzernd den Tanz der Skelette vorführt. Doch die Kostüme dürfen nicht nur gut aussehen, sondern müssen auch funktionstüchtig sein. So sind die schweren Goldketten der Schlangenmädchen in Wahrheit leichte Gummibänder, genauso flexibel wie ihre Trägerinnen.
Neben den Kostümen ist der musikalische Hintergrund nicht wegzudenken. Mit einem Mix aus 1970er-Jahre-Funk und indischer Musik erhöht das Live-Orchester die Spannung während der Acts.
Kooza weckt Erinnerungen an den Zirkus vergangener Zeiten und bringt zwei alte Traditionen zusammen: Akrobatik und Clownskunst. Die Clowneinlagen sind allerdings nicht Jedermanns Geschmack. Der dümmliche König mit seinen tölpelhaften Hofnarren kennt keine Hemmungen – auch nicht gegenüber dem Publikum, das mit Küssen überhäuft oder mit einem Plastiksteak verhauen wird. Anfangs noch lustig, wird das tierische Geschrei der Clowns je länger, je mehr anstrengend. Die Akrobatikdarbietungen hingegen sind eindrücklich. Das «Todesrad» ist eine der haarsträubendsten Einlagen: Zwei Männer drehen wie Hamster im meterhohen Rad und machen verrückte Sprünge – alles ungesichert. Kooza präsentiert Leistungen des menschlichen Körpers, welche die Vorstellungskraft übersteigen.
Die Truppe kommt demnächst in die Schweiz – mit eigenem Zelt. Doch auch ohne Royal-Albert-Atmosphäre wird der Cirque du Soleil das Publikum in seine traumhafte Welt entführen.
Bern Grosse Allmend, 28. Februar bis 29. März.