Birmensdorf
Am Lost-in-Nature gab's Musik aus dem Kopfhörer

Am achten Lost-in-Nature- Festival lief alles etwas anders als sonst, es gab nämlich eine Premiere für zwei Ohren. Einzelne Pfiffe und ein dankbarer Applaus war die Folge.

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Kopf hoch und Sound ab

Kopf hoch und Sound ab

Aargauer Zeitung

Andreas Bannwart

Sind die denn alle hinüber - da läuft doch noch gar nichts?!», wundert sich Michi Keller aus Birmenstorf. Er hat soeben einen Kopfhörer bezogen. Wozu? Keller steht auf dem ersten «Kopfhörer-Floor» des Lost-in-Nature-Festivals (LIN) in Birmenstorf. Dieses hat vom 23. bis zum 25. Juli bereits zum achten Mal stattgefunden im Gebiet Schlatt - aber diesmal eben anders: «Mit Kopfhörern ab 2 Uhr.» Nichts mit Boxen - zur Freude der Anwohner. Aber auch der Partygäste?

Michis Kopfhörer gibt keinen Laut von sich. Ganz anders der Tanzboden: Das Zappeln der Drum-'n'-Bass-Jünger bringt die trockene Strohunterlage zum Rascheln. Sonst ist es schlicht still, und das mittendrin. Unvorstellbar. Ein Tanzjünger erkennt Michis Not. Er hüpft zu ihm, greift sich dessen Kopfhörer und dreht an einem Rädchen - et voilà: Jetzt dröhnt es auch bei Michi. Und mittlerweile auch bei 80 anderen Glückseligen. Andere stehen mehr oder weniger geduldig noch an.

Den Lärm «bändigen»

«Der Kanton Aargau ist eng besiedelt, da wird es nach 2 Uhr schwer, Musik laufen zu lassen», sagt Andy Keller. Er ist Helferkoordinator vom OK der Vereine Tsuami und WCC. Verständliche Lärmklagen zwangen das Vereinsduo, neue Ideen auszubrüten. «Den Lärm bändigen und das Drum-'n'-Bass-Mekka am Leben erhalten» war das Ziel. Sie nahmen sich dazu die Jahre 2007 und 2008 Zeit - und schöpften 2009 Hoffnung: «Ab 2 Uhr lief der Sound
nur noch auf Neben-Floors mit reduzierter Lautstärke.» Vergebens.

Die Auflage der Gemeinde Birmenstorf für ein LIN-Festival 2010 lautete deshalb: «Keine Musik ab 2 Uhr.» Was bei einem Veranstalter auf taube Ohren stossen könnte, fand bei diesem offene Ohren vor und regte an: «Wir hörten, dass bei der ETH Zürich eine Party mit Kopfhörern und über 2000 Gästen stattgefunden hatte.»

«Gleich ist es 2 Uhr»

Das war die Initialzündung. Und der Grund, weshalb kurz vor 2 Uhr erstmals am LIN-Festival 300 Kopfhörer im Trockenen auf ihren Einsatz warteten. Indessen machte der hochkarätige Londoner Drum-'n'-Bass-DJ und Produzent Nicky Blackmarket Regen und Matsch vergessen, bevor eine Boxenstimme meldete: «Gleich ist es 2 Uhr. Ihr wisst: Regeln sind da, um eingehalten zu werden. Sonst gibt es nächstes Jahr kein Lost In Nature mehr. Jetzt gehts weiter auf dem Kopfhörer-Floor.»

Einzelne Pfiffe, dankbarer Applaus. Und ein Andrang vor dem Kopfhörer-Floor, dass ein Teil der geschätzten 800 Gäste bangen musste, ob es für einen Kopfhörer überhaupt noch reichen würde.

Bass-Wummern fehlt nicht

Doch wie war es denn jetzt - mit den Kopfhörern? «Du losisch Musig oder redsch met öpperem», sagt Bea, die soeben eingetroffen war. Ein Brite in der Menge meinte: «Strange, don't feel the bass, something's missing.» Einmal im Freien, ruft einer auf dem Weg zum Pinkeln am Waldrand: «Fende dChopfhörer vell besser, dQualität.»

Und das Bass-Wummern «am Herz», wie es im Jargon heisst? «Fehlt ned.» Und weiter gehts durch die matschigen Fussstapfen anderer. Zum Schluss mit Marco aus Bern: «Drum 'n' Bass is my life.» So, wie es aussieht, auch nächstes Jahr.