Der Projektraum Nextex, eine «Tochter» von Visarte Ost, ist einmal mehr umgezogen. Diesmal an den früheren Standort am Blumenbergplatz. Hier sind ab dem morgigen Auftakt des Heimspiels sämtliche 400 eingereichten Dokus einsehbar.
Kein Puff. Nirgends. Und ob man zukünftig mit selbigem auf gut nachbarschaftlichen Verkehr setzen will, so im Sinne von «könnt ihr uns mal eben was abgeben von euren Kaugummis?», wird sich zeigen. Nach Westen liegt der Projektraum Nextex Wand an Wand mit St. Gallens erster Adresse für Lust gegen Geld. Nach Osten kann man rüberwinken zu «Haarkultur»; nach Norden hat man Ausblick auf die Methadonabgabestelle. Zwischen dem dort seitlich angeklebten Palace und dem Nextex dürfte es sicher hie und da zu künstlerischen Techtelmechtels kommen. Nach unten ist eh für lebhaften Austausch gesorgt, denn Nextex ist oberer Untermieter des Kulturbüros, jener vom Migros Kulturprozent betriebenen Institution, die Ostschweizer Kunstschaffenden mit Rad (Kleinbus für Transporte) und Tat (Beratung in Sachen Präsentation und Dokumentation) zur Seite steht.
Ein brodelnd-heisser Knotenpunkt also – wenn nicht gar das neue Bermuda Dreieck für Kultur in ihrer ureigenster Form. Vorerst sorgt das sehr erfolgreiche Designduo Sarah Küng und Lovis Caputo, bekannt unter dem Künstlernamen Küng Caputo, für Übersicht. Küng Caputos Ausstellungskonzepte sind legendär; 2009 sind die beiden Frauen mit dem Eidgenössischen Bundespreis für Design in New York ausgezeichnet worden. Für die Auslegeordnung der 400 Dokumentationen haben sie halbrunde Plattformen entworfen. Sie wachsen aus den jeweiligen Fenstersimsen in den Raum wie reife Zitronen. Die Farbe lehnt sich an das Gelb beim nördlich gelegenen Eingang in den ersten Stock und «chanchiert» dort mit dem purpurroten Abgang in besagtes Etablissement.
Vor die halbrunden «Tischchen» haben Küng Caputo ihre aus Kunststoff gegossenen Hocker gestellt, die in New York für beinahe schon astronomische Summen an Kunstliebhaber verkauft werden. Im beschaulichen St. Gallen kann man nun bequem sitzend von A bis Z sämtliche eingereichten Bewerbungen fürs Heimspiel durchblättern und erstmals auch digital anklicken. Als kleines «Separee» eingebaut gibt es im Projektraum neu einen Kubus für Videoarbeiten. Während der Zeit des Heimspiels sind hier kurze Sequenzen von nicht berücksichtigten Arbeiten zu sehen. Im Projektraum mit zwei Fensterfronten und zwei bespielbaren Wänden stehen die mobile Bar und ein schöner alter Flipperkasten. Damit kann beim Erreichen einer gewissen Anzahl von Punkten ein einstündiges Gespräch mit einer oder einem Kunstsachverständigen gewonnen werden. Daneben beteiligt sich der Projektraum Nextex mit einem ausführlichen Begleitprogramm an der diesjährigen Schau des Ostschweizer Kunstschaffens. Morgen Freitag wird sie eröffnet. Die Arbeiten der 53 ausgewählten Künstler und Künstlerinnen sind im Kunstmuseum und in der Kunsthalle zu besichtigen. Nebst dem neuen Standort des Nextex gab es auch in dessen Vorstand markante Wechsel. So sind die frühere Co-Präsidentin Karin Bühler (bisher gemeinsam mit Stefan Rohner) sowie Rachel Lumsden, Corinne Schatz und Jürg Rohner zurückgetreten. Neu präsidiert Stefan Rohner den Vorstand allein; zu den bisherigen Mitgliedern Birgit Widmer und Gabriela Falkner kamen neu dazu Beatrice Dörig, Mirjam Kradolfer, Eduard Hartmann und Martina Weber.
Nach nur gerade zwei Jahren an der Schmiedgasse, wo Nextex gemeinsam mit dem Kulturmagazin «Saiten» in den historischen Räumen des Hauses Pelikan «zuhause» war, ist der Kunstraum an den alten Standort am Blumenbergplatz zurückgekehrt. Von hier mussten sie genauso ausziehen wie aus dem ersten bespielten Provisorium am Oberen Graben. Dort hatte Nextex im früheren Laden von Ex Libris das erste Mal die Zelte aufgeschlagen. Heute steht ein Teil der Kantonalen Verwaltung dort; der Bau für 270 Angestellte wurde eben bezogen.
Die städtische Liegenschaft am Blumenbergplatz wurde ebenfalls umgebaut; Parterre und erster Stock übernahm Migros Kulturprozent. Das Kulturbüro überlässt dem experimentellen Schaffen der lokalen Kunstszene den ersten Stock im Rohbau. Ideal, findet der Vorstand. Zwar bedaure man die örtliche Trennung vom Kulturmagazin «Saiten»; die Zusammenarbeit sei für beide Seiten immer sehr anregend gewesen. «Saiten» bleibt am alten Standort an der Schmiedgasse. Weiterhin plant das Nextex vier bis fünf Ausstellungen pro Jahr. Auch der sehr beliebte Barbetrieb jeweils am Donnerstag soll weitergehen. Unterstützt wird der Projektraum von den Kantonen St. Gallen und Appenzell AR, der Stadt St. Gallen sowie einer Stiftung mit insgesamt 64 000 Franken pro Jahr. Der Vorstand arbeitet ehrenamtlich; eine 30prozentige Sekretariatsstelle wird entlöhnt.