Der Berner Rapper Baze legt ein neues Album vor. «Bruchstück» ist ein gekonntes Miniaturenkabinett.
Eine kleine, braune Pfütze im Südosten von Bern, in der sich Hechte, Karpfen, Schleien, Welse und Brachsme tummeln. Egelsee nennen sie diesen Tümpel. Das Gewässer spielt eine der Hauptrollen auf dem vierten Soloalbum von Baze. Die Erinnerungen, die ihn ans Ufer des Sees zurückversetzen, sind ein Bruchstück, das seinen Viertling «Bruchstück» (Sound Service) ausmacht.
Hier hat er sich in der Jugend oft niedergelassen, um am Joint zu ziehen. Ziehen, ziehen, ziehen, als ginge es darum, sich komplett neu zu kalibrieren, einen Reset zu erzeugen. Trockener Mund, rote Augen und Hunger auf alles – ausser wohl auf das, was in Sachen Ausbildung und Beruf gerade auf der Menükarte stand. Im Hintergrund hört man Geklöppel, ein Hackbrett vielleicht. Eine Begleitung, wie sie für einen Rapper kaum ungewöhnlicher sein könnte.
Baze, bürgerlich Basil Anliker, 36, Stadtberner, hat sich mit den Jahren als Texter praktisch völlig von irgendwelchen Rhythmus-Schemata und kulturellen Regeln gelöst. Sein Gesang auf «Bruchstück» ist in dem Sinn auch keine Auszeit vom Rap, sondern einfach die aktuelle Ausprägung seiner Erzählertätigkeit.
Anliker ist ein Meister der Mehrgleisigkeit. Er kann gar nicht anders, als sich immer wieder neu zu erfinden, neu zu formieren, dem Stillstand ein Schnäppchen zu schlagen. Er ist gleichzeitig Mitglied der Berner Chlyklass, Mitglied des schändlich unterschätzten, mit der elektronischen Musik flirtenden Duos Boys On Pills, Mitglied des stetig wachsenden Temple-of-Speed-Verbunds, Mitglied der Tequila Boys – einer Coverband mit allerlei Mitgröl-Songs im Repertoire, die sich auf der Bühne immer mal wieder ein Glas Hochprotzentiges genehmigt, Gastrapper bei den zeitgeistigen Indie-Poppern von Jeans For Jesus.
Egal, in welcher Rolle: Baze, so sein Künstlername, bleibt immer der kauzige Hauptstädter, der sich keinen Zentimeter verbiegen lässt und sich in seinen Texten einer unverkopften Poesie bedient. Zuletzt hatte Anliker die Chuzpe, den jamaikanischen Reggaegott Peter Tosh und Mani Matter («I han es Zündhölzli azündt») zu covern: Besonders das Stück «I Bi», eine Abwandlung von Toshs «I Am That I Am», beeindruckte. Für knapp fünf Minuten schwimmt er sich über der Bassbegleitung von Produzent Don Li von jeglichem Erwartungsdruck frei.
Die Umsetzung überzeugt mit freischwebendem, uferlosem Groove. Textlich ist es ein Selbstbekennungstanz, frei nach Tosh. Ein Mantra dafür, sich nicht zu verknechten, sich vor keinen Karren spannen zu lassen. Auch nicht vor den von Hip-Hop oder Mundartrap. Die Welt, die mit roten Augen am Egelsee endet, dient Baze heute höchstens als Sprungbrett für Geschichten.
Baze war schon immer einer, der beschreiben konnte. Der Miniaturen aufbaut – das Pinkeln im Schnee fasst er genauso wie lange Autofahrten durch Osteuropa oder die Enge seiner Heimatstadt in wenigen Textzeilen zusammen. Die Situationen seiner Texte sind immer konkret. Sie geben die Stimmung wieder, sie versetzen den Zuhörer in ein Setting, können dann aber in alle möglichen Richtungen kippen.
Dazwischen immer wieder schöne Sätze, schöne Zeilen. Darüber, dass man die schönsten Orte dort findet, wo man falsch abbiegt. Oder dass man beim Graskaufen wie ein feuchter Lappen über den Tisch gezogen wird. Alltagspoesie, Gebrauchspoesie.
Einen grossen Anteil am Spannungsmoment auf «Bruchstück» hat das Zusammenspiel zwischen Band und Sänger. Die Musikertruppe, bestehend aus Keyboarder, Bassist, Schlagzeuger, Bassklarinettist, Posaunist und Trompeter, wechselt zwischen Stimmungsgrundierung und emotionaler Anteilnahme, zwischen Schraffur und Farbexplosion, zwischen Umrahmung und Umarmung.
Sie kreiert ein Bühnenbild, in dem sich Baze bewegen kann, greift dann aber immer wieder dynamisch ins Geschehen ein. Exemplarisch mitzuverfolgen ist das auf dem Stück «Tüfu». Verzerrte Gitarrentöne, Bass und Schlagzeug begleiten ihn wie auf einem fliegenden Teppich, schalten sich dann aber emotional in die Geschichte ein. Zum Schluss zirpen die Grillen.
«Blöder Geits Nümm» heisst der Abschlusssong, eine windige, flüchtige Ballade. Auch sie bruchstückhaft, vergänglich – wie jeder schöne Moment. «S’Läbe isch so nä beschisse schöni Aaglägeheid», meint Baze dazu.
Baze: Bruchstück CD-Release am 3. Februar