Jubiläum
Bekenntnis eines Schlumpf-Fans: Warum unsere Autorin die blauen Figuren liebt

Schlümpfe brachten ihr bei, was Inflation ist – und dass auch der schlimmste Arbeitstag vorbeigeht. Unsere Autorin bekennt sich als Schlumpf-Fan.

Valeria Heintges
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Diese Figuren begleiten die Autorin seit ihrer Kindheit.

Diese Figuren begleiten die Autorin seit ihrer Kindheit.

Valeria Heintges

Ich gestehe, ich bin Schlumpffan. Mit den Comics kann ich zwar wenig anfangen, und ich habe auch keinen der Filme gesehen. Ich besass mal die «Vader-Abraham-und die Schlümpfe»-Kassette, fand die Lieder aber immer ziemlich blöd. Doch die kleinen Gummifiguren, mit ihren weissen Mützen und Hosen, ihrer blauen Haut und ihren kugelrunden Bäuchlein, die liebe ich.

Ich muss meinen Kopf nur ein wenig drehen, dann sehe ich sie aufgereiht auf dem Regal: Den mit dem altmodischen, knallroten Telefon, der den goldenen Hörer ans Ohr presst und gar nicht daran denkt, ihn auf die Gabel zurückzulegen. Er stand jahrelang neben meinem ähnlich altmodischen Telefon und leistete mir beim Tratschen Gesellschaft. Der Globetrotterschlumpf ist mit mir schon um die halbe Welt gewandert. Es tat mir immer ein wenig leid, dass er kopfüber am Rucksack hängen musste. Oder der Ökoschlumpf mit dem quietschgelben Strohhut, der braunen Trägerhose und der Hand auf dem Kopf einer grünen Raupe, die ihm bis zum Bäuchlein reicht. Er erinnerte mich auf diversen Bürotischen daran, dass die nächsten Ferien bestimmt kommen, egal, wie quälend der Arbeitstag gerade war.

Im Puppenhaus

Ich habe als Kind stundenlang mit Schlümpfen gespielt. Sie sind einfach die perfekte Projektionsfläche für alles, was ich in ihnen sehen wollte. Sie lebten nicht wie in den Comics in einem Pilzhaus im Wald, sondern in einer Nähkiste oder im Puppenhaus. Meine Freundin Anja und ich wussten damals nichts über die Historie der Kerlchen. Nicht, dass ihr Erfinden Pierre «Peyo» Culliford hiess, der sie am 23. Oktober 1958 in einem Abenteuer von «Johann und Pfiffikus» im Spirou-Magazin erstmalig auftreten liess – noch sehr viel dünner und mit fünf Fingern. Der fünfte Finger verschwand später, weil Peyo die Wesen mehr von Menschen unterscheiden wollte.

Wir wussten auch nicht, dass ihr Name auf einen Aussetzer zurückgeht: Beim Abendessen mit dem Spirou-Zeichner André Franquin fällt Peyo der Name für Salz nicht ein. Und so sagte er: «Passe-moi le ... le Schtroumpf!» Danach unterhielten sich die Herren einen Abend lang in Schtroumpf-Sprache. Und wir wussten auch nicht, dass die Schlümpfe auf Deutsch anders heissen mussten, weil eben Schtroumpf (Strumpf) schon besetzt war.

60 Jahre Schlumpf-Geschlumpfe

Im Comic, in Hartgummi, im Kino und als Musikalben: Die Schlümpfe sind überall.
23. Oktober 1958: Vor 60 Jahren tauchen die kleinen Männchen erstmals im Comic «Johann und Pfiffikus» im Spirou-Magazin auf. Pierre «Peyo» Culliford lässt sie darin eine Zauberflöte erfinden.

Das erste eigene Abenteuer «Die schwarzen Schlümpfe» wird im 48-seitigen Miniformat herausgegeben, das die Leser zusammenfalten und dann aufschneiden müssen. Sechs Abenteuer erscheinen, sie werden zum Jubiläum erstmals auf Deutsch im Originalformat herausgegeben. Heute gibt es insgesamt 32 Alben, im Splitter-/Toonfish-Verlag. (www.splitter-verlag.de)

Seit 1965 stellt die Schleich GmbH in Lizenz Spielfiguren aus Hartgummi her.
1975 kommt der Zeichentrickfilm «Die Schlümpfe und die Zauberflöte» ins Kino; 2011 «Die Schlümpfe» als 3D-Film; 2013 «Die Schlümpfe 2», 2017 «Die Schlümpfe und das verlorene Dorf».

1978 erreicht das Album «Vader Abraham im Land der Schlümpfe» Platz 3 der deutschen und österreichischen Hitparade. Der Wikipedia-Schlumpf-Artikel verzeichnet 46 weitere Alben, darunter «Tekkno ist Cool» (1995) und «Party House Hits» (1996). (vh)

Unser Volk

Unsere Schlümpfe sprachen ganz normal; sie waren das Volk, das wir lenkten und organisierten. Sie hatten ordentliche Jobs, waren Handwerker, wie der, den ich Karl nannte, mit Hammer in der Hand und Schweisstropfen an der Stirn. Oder Musiker: mit Trompete oder Leier, Schlagzeug oder Flöte. Der Schlagzeuger und der Flötist sind weiss der Schlumpf-Gott wohin verschwunden. Von manchen weiss ich auch nicht mehr, ob sie mir gehörten oder Anja, so sehr wurden unsere Habseligkeiten beim Spielen gemischt, auch in meiner Erinnerung vermischt sich alles. Anja gehörte, glaube ich, der mit dem Bierhumpen in der Hand. Papa Schlumpf war bestimmt ihrer, mit herrschaftlich roter Hose und ebensolcher Mütze. Der war bei uns aber nie Chef und beliebt war er auch nicht. Wir mochten lieber die Bürger, die bei uns auch sporadisch zur Wahl gehen durften. Wen oder was sie wählen sollten, weiss ich nicht mehr. Und ja, es waren ausschliesslich Bürger.

Nicht unser Schlumpfine

Wir hatten zwar eine Schlumpfine, aber die war doof, mit ihren langen, blonden Haaren und den bewimperten Kulleraugen und durfte nicht mitspielen. Mit solchen Frauen konnten wir uns schon damals nicht identifizieren. Es störte uns nicht besonders, wir hatten ohnehin alle Schlumpfmänner in der Hand und unter Kontrolle. Wahrscheinlich waren sie für uns ohnehin allesamt geschlechtslos. Schlumpfine übrigens hat ihr Image bis heute: Im aktuellen Sortiment gibt es zwei Schlümpfe in Tropenkleidern. Er hat ein Messer in der Hand, um den Weg freizuschneiden. Sie einen Spiegel in der einen und eine Puderquaste in der anderen Hand und schminkt sich. Was Frauen halt so machen im Dschungel.

Meine Erzieher

Die Schlümpfe brachten uns auch bei, was Inflation und Teuerung ist. Mein Taschengeld stieg lange nicht so schnell wie ihr Preis. Ich meine, mich an 1.50 DM (in Worten: eine D-Mark fünfzig) zu erinnern. Meine Sammlung wuchs trotzdem. Zuverlässig warf die Schleich GmbH, die seit 1965 die Figuren in Lizenz herstellt, neue Typen auf den Markt. Das tut sie immer noch: Sie kosten im Internet 4.49 Euro – das wären 9 Mark ... Oder in Zürich 7 Franken 95. Das wären 7 Euro oder 14 Mark. Dabei sind sie längst nicht mehr so liebevoll entworfen, nicht mehr so detailreich gestaltet, nachlässiger angemalt. Die mit «Made in China» haben sogar die Schleich GmbH-Adresse sichtbar auf den Hinterkopf gedruckt. Wer mag denn mit so was spielen?

Mein erstes Auto war «Der Schlumpf». Es war weiss, nicht blau. Auf dem Armaturenbrett klebte der Bäh-Schlumpf, der die Zunge herausstreckt und die Daumen in die Ohren steckt. Und ein Kleiner, der auf dem Hosenboden sitzt und ironisch in die Welt schaut. Immer wenn ich lauthals über andere Fahrer schimpfte, zeigte mir der eine spöttisch mein Spiegelbild und der andere gelassen lächelnd, dass es Wichtigeres gibt im Leben. Sie sind ziemlich schlau, die blauen Kerlchen.