Sie war Krankenschwester, improvisierte in den Arbeitspausen kleine Sketche: Michaela Bauer rutschte ins Theater hinein. Heute arbeitet sie erfolgreich als Schauspielerin, Regisseurin und Theaterpädagogin. Ein Gespräch über Humor in ernsten Stücken, die Emotionalität von Laienspielern und Narrenfreiheit.
Angefangen hat alles in der Rehabilitationsklinik. Da hat Michaela Bauer als Krankenschwester gearbeitet – und einen Psychologen namens Georg Schramm kennen gelernt, mit dem sie in den Arbeitspausen jeweils kleine Sketche improvisiert hat. Das hat beide von ihrem Berufsweg abgebracht. Schramm schwenkte ab in Richtung Kabarett, und Michaela Bauer sprangt ein, als ihm eine Mitspielerin ausfiel.
Ermutigt vom Echo auf ihre Auftritte, nahm dann die Schauspielerei einen immer grösseren Raum in ihrem Leben ein. Eine Anfrage führte zur nächsten, bis sie die Krankenpflege an den Nagel hängte, Schauspielerin wurde, dann Regisseurin, dann auch noch Theaterpädagogin.
Jetzt sitzt sie im Theaterraum des Theaterhauses Thurgau in Weinfelden und blickt zur Bühne – einem mit vielen vom Publikum gestifteten farbigen Schals verkleideten Gerüst, das diesen Samstag zum Schauplatz wird für eine zeitgenössische, von Michaela Bauer phantasievoll umgeformte Version von Ludwig Tiecks «Der gestiefelte Kater».
Tieck hat 1797 nicht nur das Märchen der Gebrüder Grimm zu einer Geschichte eines Hochstaplers mit Raubtierqualitäten umgearbeitet, sondern in seine Komödie gleich auch noch ein kommentierendes, manchmal auch protestierendes Publikum eingearbeitet. Was das wirkliche Publikum bei der Uraufführung, die erst 1844 stattfinden konnte, dann immer noch überfordert hat.
Ob das heute auch so ist? Michaela Bauer glaubt es nicht. Über die Jahre hat sie viel Erfahrung sammeln können mit ihrem Publikum, das sie auf beiden Seiten der Grenze auch immer wieder mit ihrer Kunstfigur «Elfriede» erfreut, einem klugen Underdog, Hygienefachangestellte von Beruf, die «der Politik und den Leuten aufs Maul schaut».
Richtig ernst genommen wird diese Elfriede nicht, «deshalb darf sie auch alles». Zum Beispiel die Schweizer in Schutz nehmen, die Tag für Tag scharenweise einkaufend ihren Wohnort Konstanz überfluten.
Narrenfreiheit nennt man, was diese Elfriede treibt, doch auch jenseits ihrer Kunstfigur bringt Michaela Bauer ihren Humor in fast jedem Stück unter, das sie inszeniert. Sogar in Theresia Walsers «Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel», einem Stück über drei Diktatorengattinnen. Denn, sagt sie mit Nachdruck: «Lachen öffnet den Geist. Ich liebe lustige Stücke, die eine Tragik in sich haben.»
Den Geist öffnen: Das könnte man ganz gut als ihre Devise bezeichnen. Und zwar nicht nur bei den Zuschauern, auch bei den Schauspielern. Denn diese Schauspieler sind bei Michaela Bauer oft Laien. Sie an ihre Grenzen zu führen, und zwar in einem Klima, in dem sie sich wohlfühlen, das ist eine Aufgabe, die sie mit Hingabe verfolgt. «Da habe ich durchaus etwas Missionarisches», sagt Michaela Bauer.
«Wenn ein Profi eine Rolle spielt, dann ist es Handwerk und Können. Beim Laien aber ist alles viel emotionaler und persönlicher.»
Doch auch für sie selber ist es mehr. «Ich liebe meine Arbeit sehr», sagt sie. Mit Haut und Haar stürzt sie sich in ihre Projekte, und entdeckt immer wieder Neues. In ihrem Dokumentartheater zum Beispiel lässt sie gestützt auf Archivrecherchen Episoden aus der Vergangenheit lebendig werden. Das kann dann, wie in «Tödlicher Grenzverkehr» über das von grosser Not bestimmte Leben an der Grenze in den 1920er-Jahren, auch zur Krimikomödie werden. Auch hier gilt: Lachen öffnet den Geist.