Auf der Mauer ist zu wenig los

Giacomo Puccinis «Turandot» verkauft sich bei den Bregenzer Festspielen auch im zweiten Jahr prächtig. Darüber freut sich vor allem Michael Diem, der kaufmännische Direktor des Unternehmens.

Rolf App
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Künstlerisches Erlebnis und Wirtschaftsfaktor zugleich: Die Bregenzer Festspiele an einem belebten Sommertag. (Bild: Anja Koehler)

Künstlerisches Erlebnis und Wirtschaftsfaktor zugleich: Die Bregenzer Festspiele an einem belebten Sommertag. (Bild: Anja Koehler)

Auch Festivalleiter erleben ihre Überraschungen. Als sie letztes Jahr ihre Intendanz bei den Bregenzer Festspielen mit Giacomo Puccinis «Turandot» antrat, wäre Elisabeth Sobotka keine Wette eingegangen, dass diese letzte Oper des Meisters aus Italien sich besser verkaufen würde als dessen «Tosca» in den Jahren 2007/2008.

Genau so aber kommt es nun: Auch im zweiten Jahr, da sie auf der Seebühne programmiert ist, bewahrt «Turandot» ihre Zugkraft. Der Vorverkauf läuft glänzend. «Wir liegen derzeit auf Augenhöhe mit dem ersten Jahr mit Verdis <Aida>, was sensationell ist», sagte gestern bei der Vorstellung der neuen Saison in Zürich Michael Diem, der kaufmännische Direktor (siehe Kasten). Eine Zusatzvorstellung hat er bereits angesetzt.

Veränderungen an «Turandot»

Auch künstlerisch ist Elisabeth Sobotka zufrieden. Die letztjährige Saison habe darauf abgezielt, die Festspiele stärker von der Show weg und zur Oper hin zu rücken. Das sei gelungen. Es werde wenige Veränderungen an der «Turandot»-Inszenierung von Marco Arturo Marelli geben. «Wir haben vor allem über die Kritik gesprochen, es sei zu wenig los auf der grossen Mauer.» Wobei sie sich nicht nur über den Erfolg auf der Seebühne freut, sondern auch über jenen mit Jacques Offenbachs «Hoffmanns Erzählungen» in Stefan Herheims Inszenierung im Festspielhaus. «Das war fast noch die grössere Herausforderung als die Seebühne.»

Der glückliche Kassenwart

Die Bregenzer Festspiele sind zum Erfolg auf der Seebühne verdammt. Zwanzig Millionen Euro umfasst ihr Budget, 6,94 Millionen kommen als Subventionen von Republik Österreich, Land Vorarlberg und Stadt Bregenz, 1,3 Millionen von Sponsoren. Den Rest müssen die Besucher beisteuern.

Auch Diem weiss nicht so recht, wie er sein Glück erklären soll. «Wir waren letztes Jahr auf der Seebühne bei 98 Prozent Auslastung», sagt er. «Die zwei Prozent, die fehlen, sind auf spät eingeplante Zusatzvorstellungen zurückzuführen, die noch dazu in eine Schlechtwetterperiode fielen.» Kann sein, dass die enorm erfolgreichen Jahre mit Mozarts «Zauberflöte» den Boden gelegt haben. Grosses Echo hat auch die Direktübertragung von «Turandot» am Fernsehen ausgelöst. Und zwar, sagt Operndirektorin Susanne Schmidt, «trotz oder gerade weil wir diese Vorstellung wegen des immer stärkeren Regens ins Festspielhaus verlegen mussten.» Was sich da im Krisenfall tut, das hat die Zuschauer in der trockenen Stube zu Recht fasziniert.

Wetterfeste Sänger

Wetterfest müssen in Bregenz nicht nur die Zuschauer sein, sondern auch die Sänger. «Wir achten darauf», sagt Susanne Schmidt. «Auch mit unterschiedlichen Temperaturen und mit Wind müssen unsere Darsteller umgehen können. Es gibt aber Sänger, die unter widrigen Umständen erst recht aufblühen - und dann die andern mitziehen.» Spitzensänger sind das nicht. Nicht nur könnte Bregenz sich die gar nicht leisten. Sie wären auch nicht für eine mehrwöchige Probenzeit zu haben.

Frühbucher aus der Schweiz

Michael Diem ist in Lustenau aufgewachsen, seine Vorfahren stammen aus dem Appenzellischen. Nicht nur deshalb aber interessieren ihn die 13 Prozent Besucher aus der Schweiz. Sondern auch, «weil die Schweizer früh buchen. Und weil sie gern die teuersten Plätze nehmen.» Dass es nicht mehr sind, hat vor allem einen Grund: Die Zugsverbindung ist schlecht. Auch die Österreicher jenseits des Arlbergs indes sprechen nur in Massen an. Dafür machen die Deutschen 62 Prozent der 227 000 Besucher aus. «Für die Deutschen ist der Bodensee, was den Österreichern der Gardasee ist: eine Ferienregion», sagt Diem.

Michael Diem Kaufmännischer Direktor der Bregenzer Festspiele (Bild: Anja Köhler)

Michael Diem Kaufmännischer Direktor der Bregenzer Festspiele (Bild: Anja Köhler)