Malen kann man nicht nur mit dem Pinsel! Das klingt absurd, ist aber das Erfolgsrezept des Schweizer Künstlers Giacomo Santiago Rogado.
Verführerisch schön sind diese Gemälde. Sie bezirzen unsere Sinne mit farbigem Leuchten und einer wunderbaren Strahlkraft. Man kann das Kunstmuseum Solothurn als Therapiezentrum für Nebel- und Kältegeschädigte empfehlen! Und dazu als Entdeckung für alle, die Malerei mögen und die neugierig sind auf einen Künstler, der die üblichen Hauptstrassen der Malerei gerne verlässt. Mit «Desire Path» betitelt der Giacomo Santiago Rogado seine Ausstellung. Was sinngemäss übersetzt Trampelpfad meint. Als ein Weglein also, das sich der 40-jährige, in Luzern geborene und in Berlin lebende Künstler selber spurt.
Auf den grossformatigen Leinwänden schwimmen Farbflecken mit sanften Verläufen und ausgefransten, aber scharfen und etwas dunklen Rändern. Übereinander, nebeneinander breiten sich diese Farbstrukturen aus, umkreisen meist ein helles, leuchtendes Zentrum, und erinnern an mikroskopische Aufnahmen von Einzellern oder Mikroben.
Im Kopf checkt man die Kunstgeschichte der Abstraktion: Wo gibt oder gab es Ähnliches? Fündig wird man beim abstrakten Expressionismus, dieser grandiosen Erneuerung der Malerei nach dem Zweiten Weltkrieg. Zumindest formal stimmt das. Aber man findet keine dieser damals typischen furiosen Pinselstriche und Gesten. Die Oberfläche ist glatt, die Farben scheinen in der Bildfläche versun- ken, selbst wo mehrere Schichten übereinanderliegen. Wie macht er das?
Künstler Giacomo Santiago Rogado und Museumdirektor Christph Vögele schmunzeln, und meinen, es sei eigentlich nicht wichtig, zu wissen, wie die Bilder entstehen ‑ und erzählen dann doch. Rogado legt die Leinwände ins Wasser, in grosse Wannen, gibt punktuell Farbe dazu, lässt sie sich ausbreiten und das Ganze dann trocknen. Manchmal über Wochen. So entstehen die krustigen Ränder, die sanften Farbverläufe. Manchmal wiederholt er den Färbeprozess, deckt Stellen mit Silikon ab, so dass sich neue Farbfelder ergeben. «Planbar sind die Resultate nicht, aber steuerbar», sagt Rogado.
Doch nicht genug. Machmal benutzt Rogado die eingefärbten Leinwände als Grundlage für seine «Meta»-Bilder. Er legt zwischen geometrische Schablone dicke Farbschichten, die er dann doch mit dem Pinsel bearbeitet. Aber er zieht damit Farbe weg, dabei hinterlässt er feinste Riffelspuren, so dass dreidimensionale Wirkungen und raffinerte Augentäuschereien entstehen.
Das Prinzip dieser quasi negativen Pinselarbeit praktiziert er auch solo: Er streicht so lange von der dicken Farbe in konzentrisch angelegten Kreisen weg, bis die monochromen Farbflächen plastisch erscheinen, Licht und Schatten uns eine Kraterlandschaft vorgaukeln und die Farben je nach Lichteinfall sich changierend verändern. «Sinnlichkeit und Schönheit sind ja nicht verboten», bemerkt Vögele dazu nur.
Das kann man als Kommentar auch zur verblüffendsten, neuesten Arbeit von Rogado stehen lassen: einer raumgrossen Projektion. Sind es Vergrösserungen seiner Arbeiten? Nein. Lieferantin ist die Natur, Rogado der Arrangeur. Er benutzt Achatscheiben wie Dias, überlagert die Projektionen teilweise, so dass ein riesiges, begehbares Gemälde aus Licht und Farbe entsteht. Schön!
Giacomo Santiago Rogado: Desire Path Kunstmuseum Solothurn, bis 16. Februar.