Kino
Auch die Toten Hosen werden älter

Die Toten Hosen wurden auf ihrer letzten Tour mit der Kamera begleitet. Spannend wird der Film erst, als das Leben der deutschen Band dazwischenfunkt.

Michael Graber
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Auch «Weil du nur einmal lebst» braucht das Drama. Diesmal ist es ein Hörsturz. Campino, Sänger der Toten Hosen, hört auf der Tour plötzlich auf einem Ohr nichts mehr. Die Aufbauarbeiten für das Konzert am Abend werden abgebrochen, Campino sitzt niedergekämpft am Esstisch, die Band stösst dazu. Bis zu diesem Moment ist die Dokumentation über die deutsche Punkband nichts Spezielles.

Zwar suggeriert die Kamera in der Umkleidekabine und hinter der Bühne Nähe, doch diese wirkt kontrolliert. Themen wie die Familie, Kritiker und Privates bleiben aussen vor. Es bleibt die Geschichte der Toten Hosen, wie sie sie gerne erzählen: eine Geschichte von Freundschaft, Punk und Leidenschaft für Musik. Sogar Rod von den Ärzten schaut für ein paar nette Worte in die Kamera. Alles wunderbar harmonisch.

Bis eben zu jenem Hörsturz. Da jodelt das Leben der Band kräftig rein. Auch wenn schon zuvor über das Altern gesprochen wird, wird es erst jetzt fassbar. Da sitzen Campino, Andi, Breiti, Kuddel und Vom, vier Männer, die die fünfzig bereits überschritten haben und dabei nicht immer sonderlich Sorge zu ihrem Körper getragen haben. Für die Zuschauer ist das durchaus tröstlich: Das Alter macht auch um Rockstars keinen Bogen.

Ingwertee statt Schnaps

Die Konzertbilder, darunter auch solche von ihrem letztjährigen Auftritt auf der Luzerner Allmend, erhalten so eine zusätzliche Kraft. Diese ständig hochgepowerten Musiker freuen sich, streiten sich und sinnieren gemeinsam über die Vergänglichkeit und wer nun genau seit wann einen Tinnitus hat. Es sei stets ihr Ziel, den Zuschauern die bestmöglichen Toten Hosen zu präsentieren, sagt die Band einmal im Film. Dazu gehöre in diesem Alter halt nun mal auch, dass man Ingwertee statt Schnaps trinke und sich ordentlich aufwärme, bevor man auf die Bühne klettere. Campino sagt, dass er sich heute auch nicht mehr kopfüber an dünne Rohre hängen würde. Heute habe er mehr Angst vor den Konsequenzen. Er sagt das durchaus wehmütig. Gern altern auch die Toten Hosen nicht.

Was sich durch all die Konzertstationen durchzieht, ist diese ungeheure Kraft, die Campino und Co. in jede Note stecken. Diese Energie überträgt sich aufs Publikum und gegenseitig schaukeln sie sich von Hühnerhautmoment zu Hühnerhautmoment.

Cordula Kablitz-Post gelingt ein schöner Dokfilm über eine Band, die in all ihren lauten Konzerten auch leise Momente hat. Fast schon rührend ist es, wenn die Band bei ihrem Heimkonzert in Düsseldorf mit dem Fahrrad anreist. Der Film krankt aber leider wie die Musik der Hosen an Gleichförmigkeit. Irgendwann hat man die Lieder gehört und die Rituale gesehen. Die abschliessende Konzertreise nach Argentinien (da fliegt man First Class) ist dann auch mehr ein Erdulden als ein Genuss. Irgendwie wünscht man sich da fast wieder ein Drama, so harmonisch wie alle miteinander zur Weinprobe fahren. Es muss ja nicht gerade ein Hörsturz sein.

«Weil du nur einmal lebst» (D/2019) Regie: Cordula Kablitz-Post. Ab heute in den Kinos.