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Apple ist neuerdings auch ein Filmstudio. Die Eigenproduktionen gibt es exklusiv auf dem Streaming-Dienst Apple TV+. Was taugen sie?
Apple TV+ geht am Wochenende auf Sendung. Der Video-Abo-Service kostet 6 Franken pro Monat und ist via die Apple-TV-App erhältlich. Der neue Streaming-Anbieter setzt auf exklusive, hauptsächlich selber produzierte Programme (Apple Originals). Das bedeutet ein kleineres Angebot als beim ebenfalls bald startenden Anbieter Disney+, der auf das hausinterne Archiv der Disney-, Marvel- und Lucas-Filme zurückgreifen kann.
Trotzdem will der Tech-Konzern bis 2022 tausend Leute in der Filmmetropole Los Angeles beschäftigen und über vier Milliarden Dollar für neue Programme ausgeben. Die «Schweiz am Wochenende» hat einige der Macher getroffen und sich die ersten Shows angesehen. Ein Überblick.
Das Flaggschiff der ersten «Apple Originals»-Serien blickt hinter die Kulissen eines TV-Senders in der Post-#MeToo-Ära: Als ihr langjähriger Co-Moderator (Steve Carell) der sexuellen Belästigung beschuldigt und freigestellt wird, muss Morgen-Show-Moderatorin Alex Levy (Jennifer Aniston) ihre Rolle beim Sender neu überdenken.
Wie wäre es mit der Lokal-Reporterin Bradley Jackson (Reese Witherspoon), deren Schreianfall vor laufender Kamera gerade virale Prominenz feiert, als neue Co-Moderatorin?
«Es ist eine aufwendige Show, aber wir wurden von Apple nie limitiert, und unser Input wurde immer ernst genommen», sagt Witherspoon, die mit Aniston die düstere Serie über Network-Politik produziert. «Die Ironie ist, dass ich eher der Morgen-Mensch bin und Jen dafür im Gegensatz zu mir die Nacht durchmachen kann.»
Clever ★★★★★
Mit 15 Millionen Dollar pro Episode die teuerste Serie: «See» spielt weit in der Zukunft, wenn die Menschen, nach einem Killer-Virus stark dezimiert, wieder in Zelten im Wald leben und alle blind geworden sind. Jason Momoa spielt den Stammesführer Baba Voss, den Adoptivvater von Zwillingen, die als Einzige sehen können und damit ihr Umfeld in grosse Gefahr bringen.
Zum Ensemble dieser Sci-Fi-Fantasy gehören SchauspielerInnen mit diversen Graden von Sehbehinderungen. «Dazu suchten sie einen grossen Wilden, und ich passe in diese Schablone», sagt Momoa. «Aber hier kann ich auch einen Familienmann spielen – in der Natur, die 600 Jahre Zeit hatte, sich vom Menschen zu erholen.»
Ambitiös
★★★☆☆
Historisches Paralleluniversum von Produzent Ron D. Moore («Outlander», «Star Trek: The Next Generation»): 1969, Mondlandung. Ein grosser Schritt für die Menschheit. Aber was wäre passiert, wenn dieser Schritt nicht von einem Amerikaner, sondern von einem Sowjetmenschen gemacht worden wäre?
«For All Mankind», angesiedelt in einem Alternativ-Szenario während des Kalten Kriegs, ist für Astronauten, was «Mad Men» für Werber. «Im wahren Leben hat Astronaut und Serienberater Garrett Reisman die Tochter des russischen Astronauten Alexei Leonov getroffen und ihr gesagt, dass in unserer Version ihr Vater der erste Mann auf dem Mond war», sagt Hauptdarsteller Joel Kinnaman.
Reisman hofft, dass sie es ihrem Vater sagen konnte, bevor er vor drei Wochen starb.
Originell ★★★★☆
Emily Dickinson (1830–1886) durch den Millennial-Filter: In dieser biografischen Familien-Comedy ist die berühmte amerikanische Dichterin ein aufmüpfiger, potenziell lesbischer Teenager, der in der Gesellschaft und in der Familie aneckt.
Gespielt wird sie von Hailee Steinfeld und soll die Millennial-Generation an Land ziehen: «Emily Dickinson versuchte sich, wie Frauen heute, eine Stimme zu verschaffen und zu beweisen, dass sie klug und fähig ist und anderen etwas zu bieten hat», sagt Steinfeld. «Und dazu füllen wir das Unbekannte über sie und ihr Leben mit viel Fantasie aus.»
Genre-konfus ★★☆☆☆
Eltern-Albtraum von M. Night Shaymalan: Um den Tod ihres Babys zu überwinden, ersetzt ein Paar das tote Kind durch eine lebensähnliche Puppe und engagiert dafür eine seltsam geheimnisvolle Nanny.
M. Night Shayamalan hat Apple TV+ den Zuschlag für diese Serie gegeben, weil er die Geburtsstunde einer neuen Plattform prägen wollte: «Egal, was auf Netflix heute alles läuft, für mich wird es immer der Ort von ‹House of Cards› und David Fincher sein.»
Für die achte Episode hat er die Schweizerin Lisa Brühlmann als Regisseurin engagiert: «Ich suchte Frauen, die das Genre inszenieren können, und ein Agent, der ihren tollen Film ‹Blue My Mind› gesehen hatte, empfahl sie mir. Sie ist delikat im Umgang, und das spiegelt sich in der Energie der Episode wieder.»
Gruselig, keine Wertung (erst ab 28.11. abrufbar)
Der Spielfilm basiert auf einer wahren Geschichte: Immobilien zu erwerben, ist für Schwarze in den USA der Sechzigerjahre nicht einfach. So engagieren Bernard Garrett (Anthony Mackie) und Joe Morris (Samuel L. Jackson) den weissen Arbeiter Matt Steiner (Nicholas Hoult) als das Gesicht ihres Immobilienunternehmens sowie später ihrer eigenen Bank und posieren selber als Abwart und Chauffeur.
«Tolle Geschichten wie diese gibt es noch viele. Bisher konnten wir sie nur nirgends erzählen», meint Hauptdarsteller und Produzent Anthony Mackie. «Es ist gut möglich, dass ohne neue Plattformen wie Apple TV+ dieser Film nie zustande gekommen wäre.»
Komplex, keine Wertung (noch nicht abrufbar)