«Watch The Throne» Auf ihrem gemeinsamen Album verteidigen Jay-Z und Kanye West die Krone des Hip-Hop.
Dass Jay-Z auf dem Rap-Thron sitzt, hört man ihm an. Sparsam ist er mit seinen Silben, nie eilt es ihm, sie auszusprechen. Jede Zeile ein Machtwort, jede Strophe Gesetz. Da sitzt er also auf dem Podest und schaut zu, wie sich die Konkurrenz zu seinen Füssen verhaspelt. Dabei hat er seinen Höhepunkt schon länger überschritten. Seit dem «Black Album» 2003 verwaltet er seinen Thron mit mal besseren, mal schlechteren Alben, die sich aber immer noch gut verkaufen.
Der einzige, der ihm den Thron streitig machen könnte, ist schon lange unter seinen Fittichen. Denn Jay-Z ist nicht nur wegen seines souveränen Reimflusses auf dem Thron. Er hatte schon immer ein gutes Händchen. Wen der New Yorker anfasste, wurde zu Gold, wie Kanye West aus Chicago. Der verdiente seine Sporen als Hausproduzent bei Jay-Z's «Roc-A-Fella»-Label. Seit er 2004 selbst das Mikrophon zur Hand nahm, sprengt er Verkaufsrekorde und Genregrenzen.
«Watch the Throne» heisst nun das Album, das die beiden zusammen aufgenommen haben. Der königliche Anspruch leuchtet schon vom goldenen Cover. Aufgenommen haben sie es in Luxushotels. Die Könige von einst hielten Barden, die von ihren Grosstaten, ihrer Macht und ihrem Reichtum sangen, der Hochadel des Rap tut das gleich selber. Anders als auf vielen Rap-Alben, wo es von Gast-Rappern wimmelt, lassen Jay-Z und West den niederen Rap-Adel aussen vor.
Nicht, dass sie in den Luxussuiten nicht Hof halten würden. Am Mikrophon darf Jay-Z's Gemahlin Beyonce ihre Stimme erheben – und Frank Ocean. Der singt bei Wolf Gang, dem Underground-Phänomen aus Los Angeles, und gilt hiermit als geadelt. Ansonsten lassen sich die Herren von den musikalischen Ahnen begleiten. Otis Reddings «Try a Little Tenderness» wird in den Händen Wests zu einer gewitzten Unterlage, über der Kanye und Jay-Z um die Wette prahlen. Und selbst Nina Simones tausendfach gesampeltes «Feeling Good» erscheint in neuem Licht. Da stand Wu-Tang-Clan-Mastermind RZA an den Reglern – einer der wenigen, die West bei der Musik zur Hand gehen durften. Simones Stimme stimmt die Majestäten nachdenklich, und sie rappen über das Leben, das sie ihren Söhnen einmal überlassen werden.
Ansonsten erzählen die beiden den Mythos des Rap immer wieder – von der Strassenecke zu Reichtum durch Musik. Dazu gehört nicht nur Angeberei. Auf «Murder to Excellence» beklagt Jay-Z, auf dem Weg nach oben so wenige schwarze Gesichter zu sehen, und Kanye West beweint die Opfer der Gewalt in den Ghettos.
Das darf zwar immer wieder gesagt werden, den Hip-Hop neu erfunden haben sie damit natürlich nicht. Aber über weite Strecken fügen sich die majestätische Reimkunst des 41jährigen Altmeisters und die etwas quengelnde Stimme des sieben Jahre jüngeren Thronfolgers zu einem flüssigen Ganzen.
Auf «Watch The Throne» fehlen die Hits für die Clubs und das Radio, es fehlen aber auch die Füller. Dafür wird das Album besser, je öfter man es hört. Kanye West vertraut mehr auf bewährtes Hip-Hop-Handwerk als auf seinem letzten Album «My Beautiful Dark Twisted Fantasy», bleibt aber auf der Höhe der Zeit. Keine Revolution also – dafür sind die amtierenden Könige auch nicht zuständig. Sie müssen nur ihre Position bestätigen. Die Mission ist erfüllt.