MünsterlingenWie wunderbar sind sie gestern ausgeklungen, die vierten Thurgauer Akkordeontage. Mit einer dialogischen Matinee in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen und mit einer konzertanten Lesung von Stravinskys «Histoire du soldat» in der Alten Kirche Romanshorn. Für die Matinee mussten weitere Stühle herbeigetragen werden, niemand wollte sich Zisman & Zisman entgehen lassen. Und niemand wusste, dass die Tochter des Ehepaars Zisman Emily heisst – wie die letzte Zugabe, die durch Frank Sinatra und Bill Evans berühmt wurde.
Zisman & Zisman sind Meister ihres Instruments und solistisch erfolgreich unterwegs. Doch wenn der Bandoneonist Michael Zisman und die Cellistin Annapaola Zisman-Jacomella wie gestern sich auf einen Dialog einlassen, ist das weit mehr als der Dialog zweier Instrumente und zweier Eheleute. Dann bekommen Tangos wie Gerardo Matos Rodríguez’ «Cumparsita» oder Ástor Piazzollas «Libertango» einen völlig neuen Klang.
Ganz nah sitzen die Zuhörer im Gemeinschaftssaal mit Blick auf den See, beobachten mit stillem Vergnügen, wie sich Michael und Annapaola Zisman nur mit den Augen verständigen. Die Arrangements sind in perfekter Balance: Mitten im Stück wechselt die Hauptstimme vom Bandoneon zum Cello und zurück, wechselt vom freien, bisweilen ins Jazzige gleitenden Spiel des Mannes zum fürsorglichen und warmen Streichen und Zupfen der Frau. Schlafwandlerisch sicher und stets innig aufeinander bezogen.
Manche im Publikum schliessen die Augen, bleiben im Fluss selbst bei Michael Zismans sachten Hinweisen zu einigen der Stücke. Die Zuhörer gehen auf in den Melodien und Rhythmen und lassen sich treiben von den Milongas und Walzern und meinen vielleicht gar, die Wellen am Ufer zu hören.
Dieter Langhart