Der bekannte Violinist Sebastian Bohren und Gründer von «Stretta Concerts» lanciert das «Brugg Festival». Was bewegt ihn dazu, im vollen Aargauer Konzertkalender noch eins obendrauf zu setzen?
Für das Gespräch hat Sebastian Bohren eine ruhige Ecke in einem Café im HB Zürich ausgesucht. Zwei Tage zuvor war er aus Südkorea heimgekehrt. Strahlend präsentiert er ein Selfie vom Flug aus Seoul. Neben ihm sitzt, vergnügt wie ein kleiner Buddha Lennart, sein einjähriger Sohn. Ohne Mama Hyesung, die an der Uni Zürich Sozialwissenschaft studiert, hatten die beiden Verwandte besucht.
Am folgenden Tag wird Bohren für ein Konzert nach Thessaloniki fliegen. «Ich hatte noch nie so viel Energie wie seit ich Familie habe.» Er ist 36 Jahre alt, in Umiken aufgewachsen, spielt seit 28 Jahren Geige, gastiert als Solist unter namhaften Dirigenten in Europa, Asien, Südamerika und – er hat eine Vision: «Brugg soll auf der Landkarte klassischer Musik ganz oben stehen.»
Dieses Ziel verfolgt Bohren seit 2007, als er in Brugg die «Stretta Concerts» – eine Reihe von jährlich zwischen sechs und zehn klassischen Konzerten mit hochkarätigen Orchestern und Solisten – auf die Beine gestellt hatte. Der Erfolg war gross und ist anhaltend. In der Musik steht «stretta» für «schnell, vorwärtsdrängend».
Solches ist Bohren wie auf den Leib geschrieben: Mit überbordender Leidenschaft drängte es ihn hin, ein «Brugg Festival» aus dem Boden zu stampfen. «Es soll das Kulturleben in der Prophetenstadt in eine weitere Dimension führen, soll die Bevölkerung über die Region hinaus in einer noch stärkeren Intensität ansprechen als die ‹Stretta Concerts›.»
Während acht Tagen – vom 2. bis 9. September – stehen 13 Konzerte auf dem Programm – sechs davon als «Mittagsintermezzi» von 12.15 bis 13.10 Uhr in der Stadtkirche, dem Zimmermannshaus und dem Cinema Odeon.
Nach der Festivalballung im Frühjahr bringt das «Brugg Festival» den Herbst zum Klingen. Vom 2. bis 9. September bringt ein reichhaltiges Programm nationale und internationale Gäste aufs Parkett. Bohren selbst spielt etwa mit dem Pianisten Andreas Haefliger. Ausserdem sind die Cellistin Julia Hagen, der Klarinettist Reto Bieri, das Stradivari Quartett oder die Chaarts Chamber Artists zu hören. In einem der «Mittagsintermezzi» spielt die erst 13-jährige Violinistin Edna Unseld. (ray)
Tickets: www.bruggfestival.ch
«Ein solches Festival vom Fundraising über die Programmgestaltung, die Künstler-Verpflichtung, den Probenplan, Hotelreservationen bis zum Ticketverkauf auf die Beine zu stellen, bedeutet extrem viel Arbeit und Überzeugungskraft. Da segelt man ganz hart am Wind.» Das Energiebündel Bohren schildert das nicht etwa verbissen, sondern strahlend und lässt einen gleichzeitig das Feuer spüren, das in ihm brennt.
Der Titel «Monsieur 1000 Volt», der vor einem halben Jahrhundert an den französischen Chansonnier Gilbert Bécaud vergeben worden war, passt wunderbar auch zu Bohren. «Das Festival wird nicht etwa bloss eine ‹kosmetische Operation› für die Kultur in Brugg sein, sondern ein richtiger Vitaminstoss.»
Während in den «Stretta Concerts» seit eh und je eine Kollekte erhoben wird, werden für das Festival Tickets verkauft. «Das Kuratorium hat auch sofort einen Beitrag gesprochen, was es bei Kollekten nicht tut. Die Stadt Brugg ihrerseits, die uns seit Beginn unterstützt, hat im Hinblick aufs Festival ihren Jahresbeitrag verfünffacht.
Welche Eigenschaften schreibt der erfolgreiche Musiker Bohren seinem Erfolg auch als Musikmanager zu? «Ich vertraue auf eine Mischung aus enormem Selbstvertrauen bei gleichzeitiger Neugier und Offenheit gegenüber allem, was andere besser wissen könnten als ich.» Er mache, räumt er ein, auf seinem Weg sicher auch Fehler. «Bezüglich Festival bin ich in einer Lernphase und sehe, dass ich einiges noch mutiger hätte angehen können.» Wie entspannt sich der von Dynamik und Tatendrang strotzende 36-Jährige?
«Innehalten, Champagner trinken oder einfach im Bett liegen. Als Musiker habe ich übrigens ein Ritual: Sechs Stunden vor jedem Konzert esse ich jeweils Pasta, am liebsten Spaghetti bolognese.»
Dass sich Bohren im Verlauf der Jahre ein umfangreiches Netzwerk von Orchestern, Dirigentinnen und Dirigenten, Solistinnen und Solisten aufgebaut hat, ist das eine. Das andere ist, dieses zu überblicken und zu nutzen. «Es ist wie an der Börse: Ich beobachte ständig, wer, wo, wann und mit was für einem Programm unterwegs ist. Wenn es terminlich, inhaltlich und geografisch passt, versuche ich, diejenigen für ein Gastspiel in Brugg zu verpflichten.»
Bisweilen geschieht das kurzfristig. So wie das Konzert am 5. Juni mit dem Romanian Chamber Orchestra in der Stadtkirche Brugg: «Vor sechs Wochen wurde mir mitgeteilt, dass der Chefdirigent des Orchestre National de France und des WDR-Sinfonieorchesters Köln, Cristian Măcelaru, in greifbarer Nähe unterwegs ist. Ich habe ihn, der schon mal ein Glanzlicht bei ‹Stretta Concerts› war, gefragt, ob wir dies allenfalls wiederholen könnten.» Et voilà: Zu hören sein werden György Sándor Ligetis «Românesc», Beethovens Violinkonzert mit Bohren als Solist und Schuberts 4. Sinfonie.
2. bis 9. September