Zweifel an Syriens Chemiewaffen-Abrüstung

DAMASKUS. Die syrische Regierung hat eine für den gestrigen Sonntag gesetzte Frist zum Abtransport ihrer Chemiewaffen offenbar verstreichen lassen.

Michael Wrase
Drucken

DAMASKUS. Die syrische Regierung hat eine für den gestrigen Sonntag gesetzte Frist zum Abtransport ihrer Chemiewaffen offenbar verstreichen lassen. Auf einer Pressekonferenz in Damaskus sagte die UN-Koordinatorin für die Zerstörung der syrischen Chemiewaffen, Sigrid Kaag, dass sich noch immer 7,8 Prozent der chemischen Kampfstoffe auf syrischem Territorium befänden. Die holländische Diplomatin bescheinigte dem Assad-Regime jedoch eine «sehr konstruktive Zusammenarbeit» mit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW).

Jüngst Chlorgas eingesetzt

Westliche Diplomaten und Sprecher der syrischen Opposition bestreiten diese gute Zusammenarbeit. Ein von der Nachrichtenagentur Reuters zitierter Diplomat erklärte «unter Berufung auf Informationen aus Grossbritannien, Frankreich und den USA», dass Syrien noch immer in der Lage sei, Chemiewaffen zu produzieren. Die Menge der nicht offengelegten Bestände sei «erheblich». Davon geht auch die syrische Opposition aus. Sie wirft dem Assad-Regime «Täuschungsmanöver» vor. Erst vor zwei Wochen seien bei Hama und Damaskus chemische Kampfstoffe eingesetzt worden, bei denen es sich um Chlorgas handeln könnte.

Sarin noch immer im Land

Westliche Diplomaten vermuten zudem, dass sich auch noch der Nervenkampfstoff Sarin im Land befindet. Eine Grosse Menge eines zur Herstellung von Sarin benötigten Ausgangsstoffs sei in Syrien im vergangenen Jahr vor dem Eintreffen der OPCW-Kontrolleure verschwunden. Syriens UN-Botschafter Bashar Jaafari wies diese Vorwürfe wütend zurück. Ziel des Westens sei es, ein Druckmittel gegen die Regierung in Damaskus zu behalten.

Ein Erfolg trotz allem?

Unparteiische Chemiewaffenexperten, wie der Deutsche Ralf Trapp, halten die nach den Giftgaseinsätzen von Damaskus vereinbarte Aktion zur Zerstörung der syrischen C-Waffenbestände weiterhin für einen Erfolg. «Vor einem Jahr hätte kein Mensch daran geglaubt, dass Syrien überhaupt Mitglied des Übereinkommens über Chemiewaffen wird und dort eine Abrüstung dieser Kampfstoffe stattfinden kann.» Trotz Vorbehalten der UNO geht Trapp davon aus, dass alle Chemikalien, die «mit hoher Effektivität als Chemiewaffe missbraucht» werden könne, ausser Landes gebracht wurden. Einschränkend fügte er hinzu, dass nicht alle tödlichen Stoffe auf den Kontrolllisten der OPCW stünden. Dazu gehöre auch das relativ einfach herzustellende Chlorgas, das, so Trapp, «eine effektive Waffe» sei.

Deutsche Jihadisten getötet

In Syrien sind nach Erkenntnissen des deutschen Verfassungsschutzes bisher mehr als 20 Jihadisten aus Deutschland getötet worden. Er habe den Eindruck, dass sie «als Kanonenfutter herhalten mussten», sagte Behördenchef Hans-Georg Maassen dem Nachrichtenmagazin Focus. Viele junge Islamisten stellten sich Syrien als ein «islamisches Disneyland mit Spass» vor, als eine «Reise mit Eventcharakter». Im Kampfgebiet folge dann rasch die Ernüchterung.