Die türkische Lira fällt ins Bodenlose. Apple reagiert mit einer drastischen Massnahme. Die Stimmung im Land kippt.
Recep Tayyip Erdogan fällt es dieser Tage wahnsinnig schwer, das Wahlvolk vom wirtschaftspolitischen Versagen seiner Regierung abzulenken. Der Zorn der Massen, die gestern am zweiten Tag in Folge laut protestierend durch die Strassen Istanbuls gezogen sind, wird genährt von den rasant steigenden Lebensmittelpreisen und vom Wertverfall der türkischen Währung Lira.
Die Preise zahlreicher Lebensmittel haben sich seit Jahresbeginn verdoppelt, die Lira hat im selben Zeitraum 40 Prozent ihres Wertes verloren. Verängstigte Investoren ziehen ihr Geld aus der Türkei ab. Und Erdogan flutet die Märkte mit billigem Cash. Der Teufelskreis ist perfekt.
Erdogans Regierungstruppe reagiert derweil mit abstrusen Ratschlägen auf den Unmut in der Bevölkerung. Wer sich die steigenden Preise für Gas, Öl oder Kohle nicht mehr leisten könne, der solle doch einfach die Heizung runterdrehen, riet der türkische Energieminister Fatih Dönmez der Bevölkerung. Sein Parteifreund Zülfü Demirag empfahl als Rezept gegen die Teuerung, statt zwei Kilo Fleisch im Monat nur ein halbes zu essen.
Als Hauptursache der Misere gilt die Politik des Staatschefs Erdogan, der immer stärker in die Geldpolitik eingreift. Mit billigem Geld versucht der Staatschef, die Konjunktur anzukurbeln. Die Niedrigzinsen machen aber Anlagen in Lira zu einem Verlustgeschäft. Auch viele Türken tauschen ihr Lira-Gehalt direkt nach der Auszahlung in Dollar oder Euro.
Die Versuche, die schwindsüchtige türkische Lira vor der Entwertung zu bewahren, nehmen mitunter bizarre Formen an. Die Menschen horten nicht nur Dollars und Euros, sie fliehen auch in Sachwerte. Elektronikhändler berichten, dass Kunden jetzt wahllos hochwertige Markengeräte kaufen – offenbar in der Hoffnung, sie in einigen Wochen oder Monaten mit grossem (Lira-)Gewinn weiterverkaufen zu können.
Besonders gefragt sind teure Smartphones und Tablets. Apple zog bereits die Konsequenzen und stoppte den Verkauf vieler besonders gefragter Artikel in seinem türkischen Online-Shop. Einen solchen Verkaufsstopp hatte Apple vor sieben Jahren während der Rubel-Krise bereits in Russland angeordnet.
Kritisch sind für viele Türken die Engpässe bei importierten Arzneimitteln. Auch viele Lebensmittelgeschäfte gehen dazu über, besonders gefragte Waren wie Kaffee, Zucker und Speiseöl nur noch in kleinen Mengen abzugeben, um Hamsterkäufe zu verhindern.
Und Erdogan? Der gibt sich unerschütterlich. Sein Kurs sei genau der richtige für das Land, sagte er.
«Wir werden unseren Willen bewahren und unserem eigenen Spielplan folgen.»