«Wir wollen frei sein»

Ahmad Yussuf, früherer Vizedirektor eines Think Tanks in den USA und politischer Berater, über Gazas Zukunft.

Drucken
Ismail Haniyeh

Ismail Haniyeh

Ahmad Yussuf, was halten Sie von dem französisch-ägyptischen Waffenstillstandsentwurf?

Ahmad Yussuf: Die Hamas hat am Wochenende erneut Vertreter nach Kairo geschickt, um zu prüfen, ob man sich in den Punkten, in denen bisher keine Einigung erzielt wurde, näherkommen kann. Es geht dabei um den Einsatz internationaler Beobachtertruppen, der unsere Fähigkeit des Widerstandes einschränken könnte. Unsere Leute zögern, weil sie die Sorge haben, dass der Waffenstillstand nur darauf angelegt sein könnte, die Besatzung zu verlängern. Alles, was wir wollen, ist, in Gaza frei zu sein.

Sind Sie mit der Rolle Ägyptens zufrieden?

Yussuf: Es sind gewisse positive Ansätze erkennbar. Wir hoffen, dass Ägypten und auch die Türkei weitere Vorschläge einbringen werden, die das palästinensische Volk befriedigen werden.

Wer von der Hamas führt die Verhandlungen?

Yussuf: Es gibt eine Delegation mit Vertretern von beiden Seiten, der Hamas-Führung im Gaza-Streifen und aus dem Exil.

Sie sprechen von einem legitimen Widerstand und Ihrer Sorge, dass die Möglichkeiten dazu eingeengt werden. Geht es nicht darum, den Widerstand zu beenden?

Yussuf: Ich wünschte, wir würden über einen Frieden reden, aber hier geht es nur um einen Waffenstillstand. Solange die Besatzung andauert, werden wir auch den Widerstand fortsetzen.

Sie fordern offene Grenzen, verweigern aber gleichzeitig eine Kooperation mit den Israeli und wollen den Widerstand fortsetzen. Wie soll das gehen?

Yussuf: Die Grenzangelegenheit wird gelöst werden, sobald die Blockade endet. Die Tore müssen geöffnet werden, wir wollen nicht länger durch die Tunnel kriechen. Wir sind jeder friedlichen Lösung gegenüber offen.

Wenn Sie von Tunnel reden, dann meinen Sie, dass die Tore nach Ägypten geöffnet werden sollen?

Yussuf: Nach Ägypten und nach Israel. 80 Prozent unseres Warenverkehrs gehen über Israel, wir sind abhängig. Ich wünschte, es wäre nicht so und der Übergang nach Ägypten reichte aus.

Wie sollen die Grenzen nach Israel geöffnet werden, wenn die Hamas eine Kooperation mit Israel ablehnt?

Yussuf: Die Hamas hat kein grundsätzliches Problem mit internationalen Beobachtern. Wir begrüssen die Europäer, wenn sie sicherstellen, dass die Übergänge in Zukunft offen bleiben.

Sie sagen, dass Sie über Frieden verhandeln wollen. Wären Sie bereit dazu, sollte Israel Verhandlungen anbieten?

Yussuf: Wir haben immer gesagt, dass wir bereit zu Verhandlungen sind, aber die Israeli haben niemals eine wirklich glaubwürdige Absicht signalisiert. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verhandelt seit 15 Jahren; Sie sehen ja, was dabei herausgekommen ist. Die Hamas hat der PLO das Mandat gegeben, Friedensverhandlungen zu führen. Es ist nicht nötig, dass wir selbst dabei sind.

Ihre Kämpfer schiessen aus Schulen und gefährden damit Zivilisten. Wie lässt sich das mit islamischen Werten vereinbaren?

Yussuf: Die islamischen Werte sagen uns, dass wir unter Besatzung stehen und uns dagegen wehren und verteidigen müssen, um unsere Würde zu wahren. Der Islam schreibt uns nicht vor zu kapitulieren, im Gegenteil. Wir sollen siegen oder ehrenhaft sterben.

Ist Ihnen klar, dass das Blutvergiessen in den vergangenen zwei Wochen nicht passiert wäre, hätte die Hamas vorher keine Raketen auf Israel geschossen?

Yussuf: Wir haben 2005 unilateral die Raketen gestoppt, die Israeli haben das Morden fortgesetzt. Auch im Westjordanland, wo es keinen Widerstand mehr gibt, kommt es täglich zu Militäraktionen. Was im Gaza-Streifen stattfindet, ist ein Verbrechen gegen die Menschheit. Wir sind Opfer eines Völkermordes.

Interview: Susanne Knaul