In Mali wird morgen ein neues Parlament gewählt. Doch im Norden des westafrikanischen Landes dauert der Kampf gegen Jihadisten an, und der Status der Tuareg ist ungeklärt. Werden sich die Menschen im Norden an die Urnen trauen?
Schritt für Schritt versucht Mali, nach Militärherrschaft, Sezession und Bürgerkrieg in die Demokratie zurückzufinden. 1141 Kandidaten bewerben sich für die 147 Sitze der neu zu wählenden Nationalversammlung in Bamako. Doch das Land ist noch weit vom Frieden entfernt.
Im Norden Malis sind noch immer der Al Qaida nahestehende Jihadisten aktiv. In den Wüstenstädten Gao, Kidal und Timbuktu kommt es immer wieder zu Anschläge und Gefechten. Der Staat ist noch schwach, ohne die Militärpräsenz von Franzosen und afrikanischen Nachbarn könnte er sich im Norden nicht behaupten, und auch die Tuareg-Organisationen können dort in ihren Hochburgen die Sicherheit nicht garantieren. Die Fronten sind unklar, insbesondere zwischen Bamako und den Tuareg. Vor einer Woche wurde in Gao ein General der Armee ermordet – ein Tuareg. Beobachter gehen davon aus, dass ihn Täter aus der eigenen Volksgruppe als Verräter «hingerichtet» haben.
Beim Urnengang morgen wird auch wegen der anhaltenden Unruhe im Norden eine geringere Beteiligung erwartet als in den Präsidentschaftswahlen vor drei Monaten. Zudem setzte damals eine Mehrheit vor allem darauf, dass der heutige Präsident Ibrahim Boubacar Keita als «Starker Mann» die Krise im Norden bewältigen kann. Im Parlamentswahlkampf schockierte Keita dann aber viele seiner Anhänger. Er bot führenden Mitgliedern der säkularen Tuareg-Organisation «Nationale Bewegung für die Befreiung von Azawad» (MNLA) aussichtsreiche Plätze auf der Liste seiner Partei «Rally for mali» an – Männern, die vor kurzem noch gegen den malischen Staat kämpften. Nun wird heftig darüber gestritten, ob dies ein kluger Schachzug zur Befriedung des Landes oder ein folgenreicher Fehler gewesen ist.
Mali ist traditionell eine Präsidialrepublik. Die Nationalversammlung war in der Vergangenheit immer stark konsensorientiert, scharte sich meist über alle Parteigrenzen hinweg um den Präsidenten.
Neben der Konfliktlösung im Norden wird es für die Stärkung der malischen Demokratie aber entscheidend sein, ob es dem Parlament gelingt, als eigenständige Kraft, als Kontrollorgan der Präsidialmacht zu einer klaren Gewaltentrennung beizutragen. Dafür sind die Listenplätze der Präsidentenpartei für Tuareg-Oppositionelle sicher nicht hilfreich.
Eine starke Opposition unter der Führung des in der Präsidentenwahl unterlegenen Soumaïla Cissé wäre deshalb wichtig. Der Volksvertretung steht nicht nur die Lösung der Krise im Norden ins Haus. Es gilt auch, Kontroversen um das Familienrecht zu bereinigen, das 2009 in islamisch-konservativem Sinn geändert worden war. Und wie in vielen afrikanischen Staaten, ist auch in Mali das Landrecht Grossgrundbesitz fördernd umstritten. Zudem fordern auch im Süden zahlreiche Regionen und Orte mehr Föderalismus.
Viele Malier, aber auch die internationale Gemeinschaft hoffen deshalb darauf, dass die Wahlen auch der Anfang einer Entwicklung weg vom Prinzip «Starker Mann» und hin zu einer föderalen, parlamentarischen Demokratie sein werden.
Dabei wird es aber vor allem darauf ankommen, schnell erfolgreich mit den Tuareg über ihre künftige Rolle im Staat zu verhandeln. Das ist auch deshalb nicht einfach, weil die Tuareg nicht mit einer Stimme sprechen, in sich selber in eher säkulare und eher islamistische Gruppen gespalten sind.