Die letzte Hürde für Frauen in der US-Politik ist durchbrochen. Die Demokraten haben Hillary Clinton offiziell zu ihrer Präsidentschaftskandidatin nominiert. Ehemann Bill Clinton hat dem Parteitag das Hohelied auf seine Frau gesungen.
PHILADELPHIA. In der digitalen Galerie über der Bühne taucht ein Präsidentenporträt nach dem anderen auf. Als letzter füllt Barack Obama den Rahmen, der dann vor den Augen der Delegierten zerbricht. In feurig-rotem Blazer taucht auf der Leinwand Hillary Clinton auf, die wenige Stunden zuvor als erste Frau in der Geschichte von den Demokraten offiziell zur Präsidentschaftskandidatin nominiert worden war.
Das Ausrufezeichen hinter dem zweiten Tag des Parteikonvents in Philadelphia, das Clintons Nominierung offiziell besiegelte. In einer symbolischen Geste hatte ihr Konkurrent in den Vorwahlen, Bernie Sanders, die Delegierten gebeten, Hillary aufs Schild zu heben. Viele seiner Anhänger nahmen es ihm übel. Nur zögernd wurden die Proteste der leidenschaftlichen Sanders-Anhänger beendet, die sich, wie ihr mit etwa tausend Stimmen unterlegener Kandidat, den Realitäten stellen mussten.
Das zweite Ziel der Parteitagsregie besteht nun darin, die Kandidatin mit enorm hoher Unbeliebtheit greifbarer und sympathischer zu machen. Hillary Clinton selber bemühte sich in der Nacht ihrer Nomination peinlichst darum, Kritik zu vermeiden und im Hintergrund zu bleiben.
Die Video-Schaltung zeigte sie nur kurz allein und dann im Kreis anderer Frauen. «Das ist in Wirklichkeit euer Sieg», rief sie vor allem den weiblichen Delegierten zu. «Und wenn ein paar Mädchen spät aufgeblieben sind, die das hier sehen, möchte ich, dass ihr wisst: Ich kann die erste Präsidentin werden, aber eine von euch wird bestimmt die nächste sein.»
Hillary Clinton überliess es anderen, Zeugnis über ihren Charakter abzulegen. Allen voran Ehemann Bill, der zur besten Sendezeit eine ungewohnt intime Rede hielt, die der Nation neue Einblicke in die 45jährige gemeinsame Geschichte der Clintons erlaubte.
Einmal mehr bekräftigte der ehemalige US-Präsident seinen Ruf, einer der ganz grossen Erzähler zu sein. Mit dem eleganten Satz: «Im Frühling 1971 traf ich ein Mädchen», verführte Bill Clinton seine Zuhörer, ihm zu folgen. Seine rührende Geschichte vom Kennenlernen, den drei Heiratsanträgen, der Geburt ihrer Tochter Chelsea und deren Weg ins College strömte ruhig wie ein Schiff auf einem Fluss und änderte fast unmerklich die Perspektive.
Bill Clinton zeichnete das Bild einer Frau, die sich in ihrem Leben unermüdlich für andere eingesetzt habe: Von ihrer Studienzeit in Yale, an welche die junge Rechtswissenschafterin ein Jahr anhängte, um sich für benachteiligte Kinder stark zu machen; über ihre Tage als Freiwillige, die im Rio-Grande-Valley Wähler registrierte, bis hin zu ihren vielfältigen Engagements als First Lady von Arkansas und im Weissen Haus.
Vor Bill Clinton hatten schon andere Redner ähnliches erzählt. Sie, die berichteten, wie sich Hillary hinter den Kulissen stets Zeit genommen habe, ihre Anliegen zu hören, und sich dann ganz persönlich für sie stark gemacht habe. Der Redereigen reichte von den «Müttern der Bewegung», deren Kinder Opfer von Polizeigewalt wurden, über eine Überlebende des Anschlags auf das World Trade Center am 11. September bis hin zu einem kleinwüchsigen Mann.
Ehemann Bill hatte in seiner 38 Minuten langen Hommage an die Berichte von Delegierten angeknüpft: «Sie hat schon immer das Leben der Menschen besser gemacht. Sie ist die beste Agentin des Wandels, die ich jemals getroffen habe.» Hillary sei eine Frau, die niemals mit dem Status quo zufrieden sei. «Sie setzt sich immer neue Ziele.»
Wer das System in Washington wirklich verändern wolle, sei gut beraten, auf ihre langjährige Erfahrung zu setzen. «Jedes einzelne Jahr hat sich gelohnt, das Leben anderer besser zu machen.»
Bill Clinton ging in seiner Rede nicht auf Donald Trump ein, der versucht, Hillary zum Inbegriff des Status quo abzustempeln. Er fragt seine Zuhörer nur, wie seine Geschichte von Hillary mit der Comic-Figur zusammenpasse, zu der die Republikaner seine Frau gemacht hätten. «Die eine Hillary gibt es wirklich. Und die andere ist erfunden», rief Bill Clinton. «Gut für euch: Ihr habt heute die echte nominiert!»
Analysten lobten nach der Rede die Disziplin, mit der Bill Clinton seine Ausführungen ganz auf sein Frau fokussiert hatte. «Er ist der letzte grosse Geschichtenerzähler», pries auch Barack Obamas langjähriger Berater David Axelrodt den früheren Präsidenten. Dieser habe ein sicheres Gespür für Stimmungen und Nuancen. «Er war effektiv, weil er Hillary nicht verkauft, sondern beschrieben hat.» Als Agentin des Wandels, die sich mit dem Status quo nie zufrieden gibt.