Die Berliner Sozialdemokraten und Grünen haben sich gestern zum Koalitionsgespräch getroffen. Nach einer Stunde war der rot-grüne Traum wegen des Streits über eine Stadtautobahn ausgeträumt.
BERLIN. Für die Grünen, die mit Renate Künast in den Berliner Wahlkampf gezogen waren, besiegelt das Platzen der Koalitionsgespräche ein bitteres Scheitern.
Ihr Ziel, neue Regierende Bürgermeisterin der Metropole zu werden, hatte Künast klar verfehlt, und die Partei mochte sich trotz einem Stimmenzuwachs über das Wahlergebnis nur wenig freuen: Es reichte knapp für eine rot-grüne Mehrheit.
Doch schon während erster Sondierungsgespräche wurde deutlich, dass ein Wahlversprechen den Grünen das Mitregieren verunmöglichen könnte. Denn sie hatten ihren Wählerinnen und Wählern zugesichert, einem Ausbau der A100, einem 3,1 Kilometer langen Stück Stadtautobahn, niemals zuzustimmen.
Als der Regierende Klaus Wowereit realisierte, dass die Grünen sich trotz lockender Macht nicht zu einem Ja zum Ausbau des Autobahnnetzes bewegen lassen, versuchte er zu tricksen. Wowereit liess die Grünen wissen, möglicherweise könne man ja die Bundesgelder anders verwenden, etwa für die Sanierung maroder Berliner Strassen. Damit hätten die Grünen leben können.
Aber dann machte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) unmissverständlich klar, dass die über 400 Millionen Euro von Berlin nicht zweckentfremdet investiert werden dürfen. Das weiss auch Wowereit, machte dann aber einen Vorschlag, dem Ramsauer parteitaktisches Kalkül unterstellte – nämlich, das Thema Ausbau der Stadtautobahn bis nach den nächsten Bundestagswahlen zu verschieben. Weil danach ja vielleicht eine rot-grüne Bundesregierung eine andere Subventions-Interpretation haben könnte.
Ein Märchen, an das die Grünen offenbar glauben wollten, und in der Folge vergangene Woche zwei Beschlüsse fassten: Sie stimmten für offizielle Koalitionsverhandlungen mit der SPD und zweitens gegen den Ausbau der Stadtautobahn in jedem Fall.
Da wusste Klaus Wowereit, dass es aus Rot-Grün nichts werden kann, denn er hatte den Grünen vorher klargemacht, dass er weiterbauen wolle, wenn sich das Bundesgeld nicht anders verwenden liesse. Also machte er aus dem Streitpunkt das erste Traktandum der Koalitionsgespräche. Nach einer Stunde wurden sie abgebrochen. Wowereit sagte: «Bei dem Thema A100 sind die Positionen offenbar nicht in Einklang zu bringen.» Und die Grünen schoben den Schwarzen Peter einer SPD zu, die offenbar gar nie mit ihnen habe regieren wollen.
Mag sein, denn Rot-Grün hatte im neuen Abgeordnetenhaus nur die kleinstmögliche Mehrheit. Nun kann Wowereit mit der CDU weiterverhandeln, mit der es fast so viele Schnittmengen gibt wie mit den Grünen – aber dafür im Erfolgsfall auch eine viel grössere Mehrheit im Parlament.
Bundespolitisch allerdings dürfte die Regierung Merkel dafür sorgen, dass das Scheitern von Rot-Grün in Berlin landesweit als Schwächeanfall einer Opposition gesehen wird, die spätestens in zwei Jahren das ganze Land regieren will.