Bei einer Nachwahl für das Repräsentantenhaus in einem konservativen Wahlbezirk Georgias hat der demokratische Kandidat die meisten Stimmen geholt. Ein Grund für dieses Ergebnis: Donald Trump.
Auf den ersten Blick hat Jon Ossoff (30) am Dienstag gewonnen: In den Nachwahlen für einen Sitz im Repräsentantenhaus erzielte der junge Demokrat in der Agglomeration der Metropole Atlanta im Bundesstaat Georgia mehr als 48 Prozent der Stimmen. Sein Vorsprung auf die Republikanerin mit den meisten Stimmen beläuft sich auf 28 Prozentpunkte.
Allein: Ossoff verfehlte die absolute Mehrheit. Deshalb kommt es in zwei Monaten zu einer Stichwahl zwischen dem Demokraten und der Republikanerin Karen Handel (55), die unter den elf konservativen Kandidaten am besten abschnitt. Im zweiten Wahlgang gilt der Jungspund als «Underdog». Denn der 6. Wahlbezirk in Georgia, in dem die Nachwahl stattfindet, ist das Stammland der modernen Republikaner.
Hier begann die Karriere von Newt Gingrich, dem späteren Präsidenten des Repräsentantenhauses und gescheiterten Präsidentschaftskandidaten. Hier wirkte der konservative Vordenker Tom Price, der unter Trump als Gesundheitsminister amtiert. Price gewann seine letzte Wahl im November 2016 mit einem Vorsprung von 23 Prozentpunkten. Angesichts des Resultats von Ossoff wussten gestern viele Demokraten und Republikaner in Washington nicht, ob sie zufrieden mit dem Wahlausgang sein sollten. Konservative zeigten sich erleichtert darüber, dass Ossoff die absolute Stimmenmehrheit verfehlt hatte. Nachdem die Demokraten bereits in der Vorwoche, bei einer Nachwahl im Bundesstaat Kansas, besser als erwartet abgeschnitten hatten, macht sich in Washington jedoch auch eine gewisse Unruhe breit.
Denn sollte die Oppositionspartei bei der Parlamentswahl im November 2018 landesweit im zweistelligen Prozentpunktebereich zulegen, wankt die seit 2011 bestehende Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus. Parteistrategen fordern deshalb eine Reihe schneller Erfolge. Die Republikaner müssten den Wählern beweisen, dass sie regierungsfähig seien.
Derzeit sieht es allerdings nicht so aus, als ob dieses Ziel erreicht werden könnte. Dafür verantwortlich ist auch Präsident Trump – der andere Prioritäten setzt als seine Parteikollegen in Senat und Repräsentantenhaus. Gerade unter gut ausgebildeten Wählern, die den Kern des 6. Wahlbezirkes in Georgia bilden, stösst der kantige Stil des Präsidenten dabei auf wenig Zustimmung. So weigerte sich Karen Handel im ersten Wahlgang, ein Urteil über die bisherige Leistungsbilanz Trumps abzugeben. Sie sprach stattdessen über sich selbst und nannte sich eine «starke, unabhängige Konservative». Der Präsident deutete gestern aber an, dass er sich in der Stichwahl für Handel starkmachen werde.
Den Demokraten käme ein solches Engagement Trumps gelegen. Die Partei versucht, sämtliche Urnengänge in diesem Jahr zu einem Referendum über den Präsidenten umzugestalten. Damit halten die Demokraten das Fussvolk bei Laune.
Renzo Ruf, Washington