«Ungerechtfertigte Provokation der Gefühle»

SANAA/TEHERAN. Es war gewiss kein Zufall, dass der jemenitische Zweig des Terrornetzwerks Al Qaida gestern die Urheberschaft des Anschlag auf «Charlie Hebdo» beansprucht hat.

Michael Wrase
Drucken

SANAA/TEHERAN. Es war gewiss kein Zufall, dass der jemenitische Zweig des Terrornetzwerks Al Qaida gestern die Urheberschaft des Anschlag auf «Charlie Hebdo» beansprucht hat. Die Bluttat in der Redaktion des Satiremagazins, das gestern mehr als drei Millionen Exemplare mit neuen Mohammed-Karikaturen verkauft hat und nochmals zwei Millionen nachdrucken liess, sei «die Rache für die Beleidigung des Propheten gewesen», verkündete Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel in einem Video im Internet. Man habe das Massaker über Jahre geplant und es finanziert.

Propagandist als Drahtzieher

Als Drahtzieher wird der vor vier Jahren von einer US-Drohne getötete Anwar al-Awlaki genannt. Der in den USA geborene Sohn jemenitischer Einwanderer war einer der gefährlichsten Propagandisten der Jihadisten weltweit. Er hatte US-Major Nidal Malik Hassan vor fünf Jahren dazu angestiftet, 13 seiner Kameraden auf der Militärbasis Fort Hood zu töten. Auch der Nigerianer Farouk Abdulmatallab hörte im Internet die hetzerischen Vorträge, ehe er mit dem Versuch scheiterte, mit einer in der Unterhose versteckten Bombe ein amerikanisches Flugzeug in die Luft zu sprengen.

Es ist derweil bekannt, dass auch der Pariser Attentäter Chérif Kouachi ein «Schüler» Awlakis war, sich 2011 in Südjemen von ihm schulen liess. Awlaki gründete zudem das Al-Qaida-Magazin «Inspire», das den ermordeten Chefredaktor von «Charlie Hebdo», Stephane Charbonnier, bereits vor zwei Jahren auf eine «Fahndungsliste» gesetzt hatte.

Erneute Publikation kritisiert

Das Massaker in Paris war von den offiziellen Institutionen in der islamischen Welt verurteilt worden. Nach der erneuten Publikation von Mohammed-Karikaturen durch «Charlie Hebdo» scheint sich jedoch ein Sinneswandel abzuzeichnen. So nannte das ägyptische «Dar al-Iftaa», die oberste religiöse Instanz der Sunniten, die Karikaturen eine «ungerechtfertigte Provokation der Gefühle» von 1,5 Milliarden Moslems. Mit der Publikation werde eine neue Welle des Hasses im Westen in Gang gesetzt. Das «Dar al-Iftaa» wirft «Charlie Hebdo» zudem vor, Bemühungen von Moslems um friedliche Koexistenz und kulturellen Dialog zu verhindern.

Ähnlich äusserste sich der in Qatar residierende spirituelle Führer der Moslembruderschaft, Youssef al-Karadaoui. Es sei weder «logisch noch weise», neue Zeichnungen des Propheten zu publizieren. Wenn man einig sei, dass die Attentäter nicht den richtigen Islam repräsentierten, könne man nicht Milliarden Moslems mit neuen Zeichnungen brüskieren.

Irans Regierung hält die neuen Karikaturen für eine für Moslems verletzende «provokative Geste». Die Sprecherin des Aussenministeriums warf «Charlie Hebdo» einen Missbrauch der Pressefreiheit vor, den Moslems nicht hinnehmen könnten.