Tutu rechnet mit Mandelas Erben ab

Heute feiert Desmond Tutu, der frühere Erzbischof von Kapstadt, seinen 80. Geburtstag. Noch immer ist er weder willig noch fähig, zu Missständen in seiner Heimat zu schweigen. Seine Wut über die Einreiseverweigerung für den Dalai Lama ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür.

Wolfgang Drechsler
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Alt Bischof Desmond Tutu kritisiert den Affront der Südafrikanischen Regierung gegen den Dalai Lama. (Bild: epa/Felipe Trueba)

Alt Bischof Desmond Tutu kritisiert den Affront der Südafrikanischen Regierung gegen den Dalai Lama. (Bild: epa/Felipe Trueba)

KAPSTADT. Dass der kleine Mann mit dem ansteckenden Lachen viel Temperament hat, weiss in Südafrika jeder. Dass sich Desmond Tutu nach allem, was er in den vergangenen acht Jahrzehnten erlebt hat, noch derart empören kann, lässt aber aufhorchen – und ist ein Glück für Südafrika.

Desmond Tutus Leidenschaft für Demokratie und Gerechtigkeit hat ihm einst den Friedensnobelpreis eingebracht. Gerade deshalb ist er nun so wütend darüber, dass ausgerechnet der von ihm jahrelang unterstützte Afrikanische Nationalkongress (ANC) dem Dalai Lama, einem anderen Friedensnobelpreisträger, die Einreise nach Südafrika verwehrt hat. Der sollte dort heute zu Tutus 80. Geburtstag eigentlich die Festrede halten.

ANC sieht nur Missverständnis

Wochenlang hatte Südafrikas Regierung den Visumsantrag des spirituellen Führers der Tibeter zuvor ignoriert – so lange bis dieser am Dienstag seinen Besuch schliesslich absagte, um «allen Betroffenen weitere Unannehmlichkeiten zu ersparen». Dass der ANC nun plötzlich behauptet, er habe das Visum doch gar nicht abgelehnt und hätte es doch noch erteilen wollten, empört Tutu noch mehr. Zumal dem Dalai Lama schon vor zwei Jahren die Einreise nach Südafrika verwehrt worden war – ausgerechnet von jenem Land, das sich unter Nelson Mandela die Menschenrechte auf seine Fahnen geschrieben und geschworen hatte, stets auf Seiten der Armen und Unterdrückten zu kämpfen.

Für das von China besetzte Tibet scheint das heute aber ebenso wenig zu gelten, wie für die Menschen in Libyen, Kuba oder Simbabwe. Die Diktatoren dort sind alle enge Freunde des ANC. «Wir werden für die Ablösung dieser ANC-Regierung beten, genau wie wir einst für das Ende der Apartheidregierung gebetet haben», erklärt dagegen Tutu.

«Sie vertreten mich nicht»

Immer wieder erhebt er den Zeigefinger aber auch seine Stimme, etwa als er während einer Pressekonferenz in den Saal ruft: «Hey, Mister Zuma, Sie und Ihre Regierung vertreten mich nicht. Sie vertreten allein sich und Ihre eigenen Interessen.» Später erzählt der frühere Erzbischof von Kapstadt, wie «angewidert» er gewesen sei, als er Zumas Rede zum Amtsantritt gehört habe und «dieser Präsident», wie Tutu ihn tituliert, mit keinem einzigen Wort den Kampf der religiösen Führer gegen die Apartheid erwähnt habe. «Der ANC scheint zu glauben, er allein habe uns die Freiheit gebracht. Und alle anderen seien im Befreiungskampf nur Statisten gewesen.» Tutus Abrechnung mit den Erben Mandelas und deren Machtgier, Arroganz und Eigensucht ist radikal. 17 Jahre nach der Machtübernahme des ANC hat die frühere Widerstandsbewegung bei ihrem einstigen Anwalt Tutu den letzten Kredit verspielt – und sich nach dessen Einschätzung als eine autoritäre Bewegung entlarvt, der nicht das Wohl der jungen Demokratie, sondern allein der Machterhalt am Herzen liegt, mit welchen Mitteln auch immer.

«Gebt uns nicht auf»

Seit Mandelas Rückzug ist Tutu zum moralischen Gewissen der «Regenbogen-Nation» geworden. Jeder Staatsgast möchte heute mit ihm sprechen – und seine Einschätzung der Lage hören. Dass Tutu nach Mandela zum Schutzpatron der jungen Demokratie am Kap wurde, ist keine Überraschung.

Tutu hat sich nie gescheut, seine alten Verbündeten in der Anti-Apartheidbewegung – allen voran den ANC – zu kritisieren, zumal wenn diese bereit waren ihre Ideale für einen dicken Scheck aus China oder Libyen zu verraten. Noch ist seine Wut über die Ohrfeige des ANC für den Dalai Lama nicht verraucht. Aber Tutu hat darob seinen Optimismus nicht verloren: «Wir schaffen das – trotz allem. Denn wir haben hier tolle Menschen. Gebt uns noch nicht auf.»