Putins Teilabzugs-Entscheidung aus Syrien verunsichert das Regime in Damaskus. Auch Opposition und Rebellen misstrauen den Moskauer Absichtserklärungen.
Putins Teilabzugs-Entscheidung aus Syrien verunsichert das Regime in Damaskus. Auch Opposition und Rebellen misstrauen den Moskauer Absichtserklärungen.
Die überraschende Initiative Wladimir Putins, den «Grossteil der russischen Streitkräfte» aus Syrien abzuziehen, hat in Damaskus keine Begeisterung ausgelöst. Erst am vergangenen Samstag habe der russische Präsident seinen syrischen Amtskollegen von seinem Entschluss «in einem knappen Telefonat» informiert und ihm die neue politische Marschrichtung erläutert, berichten gut unterrichtete Kreise in der syrischen Hauptstadt. Anstatt selbst vor die Kameras zu treten, beauftragte der scheinbar verunsicherte Assad daraufhin seinen offiziellen Militärsprecher, den russischen Teilabzug schönzureden. Dieser versicherte gestern dem syrischen Volk mit blumigen Worten die «uneingeschränkte Unterstützung unserer Verbündeten».
Dass der Teilabzug aus russischer Sicht «den Genfer Friedensprozess stärken und vorantreiben soll», wurde der syrischen Öffentlichkeit dagegen verschwiegen. Dabei gelte es als sicher, dass Moskau jetzt die syrische Verhandlungsdelegation in der Schweiz ermahnen wird, «endlich ernsthafte Verhandlungen mit der Opposition zu führen», erklärt die Syrien-Expertin Laura Rozen gestern in einem aktuellen Beitrag für das Beiruter Internet-Newsportal «Al Monitor».
Sprecher der zersplitterten syrischen Opposition reagierten auf Putins Abzugsentscheid mit einer Mischung aus Skepsis, Hohn und barschem Misstrauen. «Wir wissen nicht, was in seinem Kopf vorgeht», twitterte Salim al-Muslat vom prosaudischen «Hohen Verhandlungs-Komitee» – und fügte hinzu: «Putin hatte kein Recht zu kommen und sollte schleunigst verschwinden.» Sollte er es mit seinem Rückzug wider Erwarten ernst meinen, könnte dies die Gespräche aber doch positiv beeinflussen.
Islamistische und Jihadistische Rebellengruppen bezeichneten Putins Entschluss als «bedeutungslos». Man werde den Kampf gegen Assads Soldaten in jedem Fall fortsetzten, erklärte ein Sprecher des Al-Qaida-Ablegers Nusra-Front, der eine «Grossoffensive in den nächsten 48 Stunden» ankündigte. Das russische Militär in Syrien dürfte in diesem Fall allerdings weiterhin handlungsfähig sein. Laut dem Moskauer Verteidigungsministerium werden auf dem Militärstützpunkt in Latakia auch nach dem Teilabzug mindestens 10 russische Kampfhubschrauber sowie bis zu 20 hochmoderne Mehrzweckkampfflugzeuge startbereit sein.
Auf syrischem Territorium würden zudem mehrere Batterien mit S-400 Boden-Luft-Raketen sowie bis zu 300 Schützenpanzerwagen und Panzer vom Typ T-90 bleiben. Um ihre Wartung würden sich weiterhin etwa 1000 russische Militärberater kümmern. Die gleiche Zahl hat die US-Armee in Irak sowie im kurdisch-kontrollierten Ost-Syrien stationiert.
Auch mit einer reduzierten Militärpräsenz hält sich Putin in Syrien alle Optionen offen. «Die Vögel könnten jederzeit zurückfliegen oder vor dem Rückflug noch Ehrenrunden drehen», verkündete gestern ein russischer Reporter in Latakia. Mit stolzerfüllter Stimme erklärte er dem Publikum in der Heimat, dass Russlands militärisches Eingreifen den Friedensprozess und die damit verbundene Waffenruhe erst ermöglicht habe. Die bei russischen Bombardements getöteten 1200 syrischen Zivilisten wurden verschwiegen.
«Putins Ziel war es, die Amerikaner und ihre Verbündeten zu seinen Bedingungen an den Verhandlungstisch zu bringen», analysiert Samuel Charap vom International Institute for Strategic Studies. «Zumindest dieses Ziel scheint er jetzt auch erreicht zu haben.»