SYRIEN: Vereinigte Staaten halten Türkei in Schach

Die USA verdoppeln ihre Truppenpräsenz im kurdisch kontrollierten Norden von Syrien.

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Wie im benachbarten Irak haben die USA nun auch in Syrien die Zahl ihrer Soldaten und Berater weiter erhöht. Die Verlegung von rund 400 Marines und sogenannter «Army Ranger» in den von den kurdischen Volksverteidigungsmilizen (YPG) kontrollierten Norden von Syrien erfolgte bereits zu Wochenbeginn. Mit der Stationierung der Elitesoldaten wollen die USA zunächst die südlich der türkisch-syrischen Grenze aufmarschierte türkische Armee in Schach halten. Diese sollte auf Befehl von Staatspräsident Erdogan die von syrischen Arabern und Kurden bewohnte Stadt Manbidsch erobern und dann weiter in Richtung der IS-«Hauptstadt» Rakka vorstossen.

Hätten die USA eine solche Offensive zugelassen, wäre es zwangsläufig zu schweren Gefechten zwischen der türkischen Armee und der YPG gekommen, die in Ankara bekanntlich als der syrische Arm der PKK betrachtet wird. Nutzniesser wären die Terrormilizen des «Islamischen Staats» (IS) gewesen, deren Verbände an fast allen Frontabschnitten in Syrien unter massiven Druck geraten sind.

Für die Türkei ist der IS in Syrien noch immer das «kleinere Übel». Mindestens drei Jahre lang hatte Ankara die Dschihadisten direkt und indirekt unterstützt, um auf diese Weise die YPG zu schwächen. Erst als sich die USA demonstrativ an die Seite der syrischen Kurden stellten, wendete sich das Blatt: Plötzlich waren es die disziplinierten YPG-Milizen – und nicht länger der IS – die zum Verdruss der Türken die Grenze mit Syrien fast ganz kontrollierten. Die IS-Territorium in dem Bürgerkriegsland schrumpfte um mehr als 60 Prozent.

Obamas Truppengrenze überschritten

Mit der Verlegung der 400 Marines und Army Rangers hat sich die Zahl der in Nordsyrien agierenden US-Truppen auf rund 1000 erhöht. Weitere 1000 US-Soldaten sollen in den kommenden zwei Wochen in Kuwait stationiert werden. Diese «Reserven» können bei Bedarf jederzeit zu neuen Einsätzen in Syrien oder im Irak gebracht werden. Unter Barack Obama war die Obergrenze für US-Soldaten in Syrien ursprünglich auf 503 begrenzt worden. Dieses Limit kann «vor- rübergehend» auch ohne Zustimmung des Präsidenten erhöht werden.

Für einen Einsatz amerikanischer Bodentruppen in Syrien wäre eigentlich ein Dekret von Obama-Nachfolger Donald Trump erforderlich. Wie die «Washington Post» am Mittwoch berichtete, soll Trump dem Militär inzwischen aber eine Vollmacht zur Selbstbestimmung von Kampfeinsätzen in Syrien gegeben haben. Man werde dazu beitragen, die «Niederlage des IS (bei Rakka) zu beschleunigen», erklärte US-Militärsprecher John Dorrian.

Zudem wolle man sicherstellen, dass die Führungskader des IS getötet oder gefangen genommen werden und nicht, wie nach dem US-Einmarsch in Irak im Jahre 2003, unbehelligt das Weite suchen könnten. Das Hauptquartier der US-Truppen in Nordsyrien befindet sich in einem vorübergehend stillgelegten Zementwerk des schweizerisch-französischen Konzerns Holcim/Lafarge in der Ortschaft Jalabiya. Auf dem weitläufigen Gelände sind amerikanische Kampf- und Transporthubschrauber sta­tioniert. Zudem bestehen Start- und Landemöglichkeiten für Frachtmaschinen des Typs «Hercules».

Michael Wrase, Limassol