ROM. Jeden Winter und Frühling und dann wieder im Herbst droht in Venedig «Acqua alta»: Steigt der Pegel in der Lagune auch nur 80 Zentimeter über Normalstand, schwappt das Wasser auf den prächtigen Markusplatz und in die umliegenden Gassen.
ROM. Jeden Winter und Frühling und dann wieder im Herbst droht in Venedig «Acqua alta»: Steigt der Pegel in der Lagune auch nur 80 Zentimeter über Normalstand, schwappt das Wasser auf den prächtigen Markusplatz und in die umliegenden Gassen.
Wegen Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit dem sich im Bau befindlichen, gigantischen Hochwasserschutzprojekt «Mose» sind am Mittwoch gegen 35 Politiker, Spitzenbeamte und Unternehmer Haftbefehle erlassen worden. 25 Personen sin nun hinter Gittern, zehn in Hausarrest, darunter Venedigs Bürgermeister Giorgio Orsoni. Einen weiteren Haftbefehl stellte die Staatsanwaltschaft für den ehemaligen Gouverneur der Region Veneto, Giancarlo Galan, aus. Er befindet sich nur deshalb noch auf freiem Fuss, weil er als Senator in Rom parlamentarische Immunität geniesst.
Bei «Mose» («Modulo Sperimentale Elettromeccanico») handelt sich um eines der grössten Infrastrukturprojekte Italiens der Nachkriegszeit. Drei bei den Laguneneingängen Bocca di Lido, Bocca di Malamocco und Bocca di Chioggia im Meeresgrund verankerte, sich bei Hochwasser automatisch aufrichtende Barrieren sollen Venedig und die Lagune künftig vor dem «Acqua alta» schützen.
Das im Jahr 2003 begonnene Grossprojekt sollte etwa 5,5 Milliarden Euro kosten und längst vollendet sein; inzwischen rechnet man mit Baukosten von gegen 7 Milliarden Euro und einer Inbetriebnahme frühesten 2016. Mit der Ausführung beauftragt wurde das Konsortium Venezia Nuova, in welchem etwa fünfzig Bau- und Ingenieurfirmen vereinigt sind. Der Bau beschäftigt etwa 4000 Arbeiter.
Untersuchungsrichter Alberto Scaramuzza wirft nun ungetreuen Politikern und Staatsdienern vor, «ihr öffentliches Amt während Jahren in den Dienst eines kriminellen Konsortiums gestellt» und dafür «eindrückliche Benefits» entgegengenommen zu haben. Von dem hauptsächlich aus Steuergeldern bestehenden Milliardenkuchen wollten parteiübergreifend alle etwas haben: Der seit 2010 amtierende Bürgermeister Orsoni ist parteilos, hatte aber für den sozialdemokratischen Partito Democratico von Premier Renzi kandidiert. Der ehemalige Gouverneur von Veneto, Senator Galan, gehört der Berlusconi-Partei Forza Italia an. Orsoni hat laut der Anklage in vier Tranchen insgesamt 560 000 Euro entgegengenommen. Richtig unersättlich soll sich Galan verhalten haben, der jährlich über eine Million an Schmiergeldzahlungen verlangt und erhalten habe: «Die Zahlungen des Konsortiums an den früheren Gouverneur erfolgten regelmässig, quasi wie ein Monatslohn», berichtete dessen frühere Sekretärin in einem Verhör.
Auch Spitzenbeamte, die bürokratische Hürden aus dem Weg räumten, kamen nicht zu kurz. Unter den Verhafteten befinden sich auch ein Richter des Obersten Rechnungshofs. Letzterem waren die Unregelmässigkeiten bei «Mose» aufgefallen; es drohte ein richterlich angeordneter Baustop. Ein Umschlag mit 500 000 Euro hat den Richter dann anscheinend umgestimmt.