Russische Repression gegen die Zivilgesellschaft

In Russland ist der Vorschlag für ein Gesetz gegen Medien, die aus dem Ausland unterstützt werden, zurückgezogen worden. Doch an der Repression gegen Gruppen mit Kontakten in Ausland ändert dies aber nichts.

Klaus-Helge Donath
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MOSKAU. Jewgeni Fjodorow, Abgeordneter der russischen Staatspartei Vereintes Russland (VR), kam wieder nicht zum Zug. Letzte Woche hatte der übereifrige Parlamentarier in einem Akt vorauseilenden Gehorsams das Projekt eines neuen Mediengesetzes in die Duma eingebracht. Um die Transparenz eines Presseorgans oder TV-Senders zu erhöhen, sollte ein Medium mit fremdländischer Beteiligung den Status «ausländischer Agent» erhalten. Gestern zog der Abgeordnete seine Initiative zurück.

Gleichwohl fügte sich der Entwurf lückenlos in die Gesetzesinitiative des Kremls ein, der russische Nichtregierungsorganisationen (NGO) ab sofort dazu gesetzlich verpflichtet, sich als «ausländischer Agent» neu registrieren zu lassen. Vorausgesetzt, dass sie finanzielle Unterstützung von Institutionen aus dem Ausland erhalten.

Aus der Sowjet-Mottenkiste

Die Absicht der seit den Unruhen im Winter schlotternden politischen Elite um Wladimir Putin ist durchsichtig. Der aus dem Kommunismus und sowjetischer Mentalität entlehnte Titel «ausländischer Agent» soll die Bürger vor Kontaktaufnahme mit NGOs grundsätzlich abschrecken. Die einzelnen Ausführungsbestimmungen des Gesetzes verschärfen überdies die Kontrolle der Organisationen und erschweren deren Arbeit.

Durch die zahlreichen Gesetzesinitiativen der letzten Wochen – Einschränkung der Versammlungsfreiheit, Kontrolle der NGOs und engere Überwachung des Internets –, erklärt der Kreml die Zivilgesellschaft unverhohlen zu seinem Hauptgegner. Zwar wird das Internet noch nicht umfassend kontrolliert. Behörden wurden aber veranlasst, eine schwarze Liste aller Webseiten anzufertigen, die extremistische Ideen, pornographische Inhalte oder Drogenpropaganda enthalten. Beobachter fürchten, dass hinter der angeblichen Absicht, Kinder vor «schädlichen» Inhalten zu schützen, vor allem politische Zensur lauern könnte. Zumal das Gesetz die Definition von «schädlich» bewusst offenlässt.

Gegen «staatsgefährdende» Hilfe

Darüber hinaus ist auch ein Gesetz in Arbeit, das die Tätigkeit freiwilliger Helfer neu regeln und reglementieren soll. Nach der Flutkatastrophe im Kaukasus Anfang Juli, die mindestens 170 Todesopfer forderte, hatte der Staat auf ganzer Linie versagt. Stattdessen organisierte sich die Zivilgesellschaft spontan – wie schon während der Brände im Sommer 2010 – und versorgte die Betroffenen mit Hilfsgütern auf eigene Faust. Statt sich über die Solidarität der Bürger zu freuen, verfiel der Kreml in Panik und versuchte, die Initiative der Helfer zu stören. Ein Gesetz soll die Möglichkeit freiwilliger Einsätze nun drastisch einschränken. Die politische Führung unternimmt nicht einmal mehr Anstrengungen, ihre Hysterie zu kaschieren. Putin machte sogar eine Verfügung seines Vorgängers Medwedew rückgängig, welche üble Nachrede und Verleumdung von einem Straftatbestand zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft hatte.

Wenn es sogar Putin zu viel wird

Die Verschärfung des Mediengesetzes hätte somit gut in die Landschaft gepasst. Anscheinend wird sie aber für den Machterhalt als nicht erforderlich eingestuft. Vielleicht liegt es aber auch nur an der Person Jewgeni Fjodorows. Schon einmal hatte er von sich reden gemacht – mit einem Gesetz über «strategische Verwaltung», das ein «Politbüro der Nation» über dem Präsidentenamt vorsah: Das aber war dann auch Putin zu viel der Kontrolle.