Rechtspopulisten verlieren an Boden

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Deutschland Gerne werden Zeitungen und öffentlich-rechtliche TV-Sender als «Systemmedien» verunglimpft, wie man die «Lügenpresse» wirksam inszeniert, das wissen die Politiker der Alternative für Deutschland (AfD) allerdings ganz genau.

Stets lädt die Parteispitze zur Pressekonferenz in den immer gleichen, viel zu kleinen Raum im Berliner Regierungsviertel. Weit mehr als 50 Journalisten, Kameraleute und Fotografen folgten auch an diesem Donnerstag wieder dem Ruf der AfD zu einer Medienorientierung. In einem Nebenraum der Bundespressekonferenz stellte die Parteispitze das Programm für die anstehenden Bundestags- und Landtagswahlen vor. Die Bilder, die hernach in den Medien erschienen, zeigten Parteichefin Frauke Petry, umringt von sich auf den Füssen stehenden Medienleuten. Wirksamer kann man einen Medienauftritt kaum gestalten.

Nichtsdestotrotz verliert die AfD mit ihrem Anti-Islam-Kurs und dem Ruf nach mehr Restriktionen gegenüber Zuwanderern an Boden. In der gestern veröffentlichten ARD-Wahlumfrage kommt sie im Bund zwar immer noch auf beachtliche 11 Prozent, doch in früheren Erhebungen kratzte sie gar an der 20-Prozent-Marke und brachte die SPD in Bedrängnis. Auch im «Superwahljahr» 2017 mit der Bundestagswahl im Herbst und drei Landtagswahlen im Frühling setzt die Partei auf die Zuwanderungsfrage, die Partei fordert ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst und rigorose Grenzkontrollen.

Mit Gerechtigkeitsfrage gepunktet

In den Vordergrund stellen will die AfD in diesem Wahlkampf allerdings auch Fragen rund um die soziale Gerechtigkeit. Konkret plädiert sie für eine längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld bei Jobverlust. Die AfD hat scheinbar registriert, wie es die SPD aus dem Umfragetief geschafft hat. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz setzt voll auf die Gerechtigkeitsfrage – und hat mit dieser Strategie seine Partei zu alter Stärke zurückgeführt.

Offenkundig haben AfD-Protestwähler aus dem klassischen SPD-Milieu wieder für die SPD votiert, was den Abwärtstrend der AfD erklärt. Hinzu kommen innerparteiliche Querelen. Der extrem rechte Flügel rund um den umstrittenen Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke trägt mit Verbündeten einen Richtungskampf gegen Parteichefin Frauke Petry aus. Höckes skandalöse Kritik an der deutschen Erinnerungskultur zum Holocaust und zweideutige Aussagen zu Adolf Hitler kosteten die Partei Sympathien.

Im jüngsten Wahltrend liefert sich die SPD (31 Prozent) mit der Union von CSU und CDU (32 Prozent) ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Der Höhenflug der SPD dürfte auch die drei anstehenden Landtagswahlen Ende März im Saarland, Anfang Mai in Schleswig-Holstein und Mitte Mai in Nordrhein-Westfalen beeinflussen.

Im Saarland machte die SPD in den letzten Wochen 9 Prozent gut, möglicherweise wird die Grosse Koalition durch ein Bündnis von SPD und Linkspartei abgelöst. Einen ähnlichen Aufwärtstrend verspürt die SPD in Schleswig-Holstein. Interessant wird vor allem die Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen mit seinen 18 Millionen Einwohnern, wo SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in einer rot-grünen Regierung an der Macht ist. Die SPD bleibt mit 38 Prozent stärkste Kraft, wegen der Schwäche der Grünen ist allerdings die Fortsetzung von Rot-Grün fraglich.

Christoph Reichmuth, Berlin