Präsident Erdogans neuer Statthalter

Der bisherige türkische Verkehrsminister Binali Yildirim soll Nachfolger des amtierenden Premiers Ahmet Davutoglu werden. Seine formale Wahl zum AKP-Partei- und damit auch Regierungschef wird an einem ausserordentlichen Parteitag vollzogen werden.

Jürgen Gottschlich
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Binali Yildirim Designierter Premier der Türkei (Bild: ap)

Binali Yildirim Designierter Premier der Türkei (Bild: ap)

ISTANBUL Nach einem Treffen des erweiterten Parteivorstandes der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP hat deren Geschäftsführer Ömer Celik gestern unter grossem Jubel bekanntgegeben, dass der jetzige Verkehrsminister Binali Yildirim neuer Parteichef und damit auch neuer Ministerpräsident der Türkei werden soll.

Yildirim ist der einzige Kandidat und wird am Sonntag auf einem ausserordentlichen Parteitag der AKP auch formal bestätigt werden. Seine Wahl wurde notwendig, weil der amtierende Premier Ahmet Davutoglu vor zwei Wochen nach einer längeren Audienz bei Präsident Recep Tayyip Erdogan verkündet hatte, dass er den Parteivorsitz niederlegen und damit auch sein Amt als Ministerpräsident aufgeben werde. Trotz dieses verdeckten Rauswurfs durch Erdogan hat Davutoglu aber angekündigt, weiterhin loyal zum Präsidenten zu stehen. Wie um diese Ankündigung unter Beweis zu stellen, war er am vergangenen Wochenende Trauzeuge der Erdogan-Tochter Sümmeye.

Stets im Windschatten Erdogans

Mit Binali Yildirim tritt nun ein Mann die Nachfolge Davutoglus an, bei dem nicht nur die Loyalität zum Präsidenten gänzlich ausser Frage steht, sondern der auch in seiner bisherigen politischen Laufbahn nie durch irgendeine originelle Idee oder Aktion aufgefallen ist.

Yildirim ist ein typischer Mann der zweiten Reihe. Gäbe es den Schildknappen noch, wäre es die Rolle, die Binali Yildirim im Verhältnis zu Erdogan spielt. Seine gesamte Karriere hat der heute 60jährige Mann aus dem ostanatolischen Erzincan im Windschatten Erdogans verbracht. Als dieser Anfang der 90er-Jahre Bürgermeister von Istanbul war, wurde Yildirim Chef der Istanbuler Fährgesellschaft. Schliesslich hatte er Schiffbau studiert. Er war schon bei der Gründung der AKP an Erdogans Seite und anschliessend Mitglied des ersten Kabinetts des Premiers Erdogan.

Der treue Technokrat

Während die übrigen prominenten Gründungsmitglieder der AKP wie Ex-Präsident Abdullah Gül oder der frühere stellvertretende Premier Bülent Arinc von Erdogan in fast schon stalinistischer Manier aus Amt und Würden verdrängt wurden, steht Yildirim nach wie vor fest an dessen Seite, weil er sich nie eine andere Meinung als Erdogan gestattete.

Yildirim ist eigentlich kein Politiker, sondern ein Technokrat. Er hat viele der Grossprojekte Erdogans erfolgreich gemanagt, so die Marmaray-Bahn unter dem Bosporus und die dritte Brücke über den Bosporus, die in diesem August eröffnet wird. Mit dem im Bau befindlichen dritten Flughafen für Istanbul und dem geplanten, aus ökologischer Sicht völlig wahnwitzigen neuen Kanal zwischen dem Schwarzen und dem Marmarameer kann Yildirim auch als Premier weitermachen.

Der letzte alte Kamerad

Yildirim (zu Deutsch Blitz) ist so etwas wie die letzte Reserve Erdogans aus dem Kreis der alten Kameraden. Nach ihm kommt in der AKP nur noch eine Funktionärs-Generation, die gar nichts anderes kennt, als Erdogan zu folgen. Als Ömer Celik Yildirim als Nachfolger von Davutoglu ankündigte, machte er gleichzeitig deutlich, dass der eigentliche Parteiführer und Regierungschef natürlich Präsident Erdogan sein wird. Zwischen Partei und Führer Erdogan passe «kein Blatt», sagte er.

Erdogans Postbote für Brüssel

Für das Verhältnis zwischen EU und Türkei bedeutet Yildirim, dass Brüssel zukünftig lediglich noch einen Überbringer der Positionen Erdogans treffen wird. Und was Erdogan von der EU hält, wurde diese Woche noch einmal deutlich, als der Botschafter der EU in Ankara, Hansjörg Haber, ins Aussenministerium einbestellt wurde, weil er gegenüber Journalisten angedeutet hatte, dass die Türkei die ihr von der EU gestellten Bedingungen für die Aufhebung der Visapflicht wohl nicht erfüllen könne.