Obama verprellt Umweltschützer

Der US-Präsident gibt grosse Teile des amerikanischen Küstenschelfs für Ölbohrungen frei. Damit brüskiert Barack Obama die Umweltschützer, die einst zu seinen treuesten Anhängern gezählt haben.

Frank Herrmann
Drucken
Die Ölbohrinsel «Genesis» des Chevron-Konzerns im Golf von Mexiko, nahe New Orleans. Künftig darf auch weiter östlich gebohrt werden. (Bild: ap/Mary Altaffer)

Die Ölbohrinsel «Genesis» des Chevron-Konzerns im Golf von Mexiko, nahe New Orleans. Künftig darf auch weiter östlich gebohrt werden. (Bild: ap/Mary Altaffer)

Washington. Von einem Schritt in die falsche Richtung spricht Greenpeace: Vor den Küsten erneut nach Öl zu bohren, das verstärke nur Amerikas Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen, während «China und Deutschland das Rennen um erneuerbare Energien gewinnen». Der Naturschutzbund Sierra Club sieht zusätzliche Gefahren für Eisbären und Wale im Refugium Alaskas heraufziehen: Trotz besserer Technik sei die Gefahr einer Ölpest nie zu bannen.

Mit seiner Ankündigung, in weiten Abschnitten des Küstenschelfs der USA wieder Bohrtürme zu erlauben, setzt sich Barack Obama heftiger Kritik aus. Umweltbewusste Amerikaner, die einst zu seinen treuesten Anhängern zählten, nehmen dem Präsidenten übel, was sie für eine fatale Kehrtwende halten. Der Kandidat Obama hatte eine Lockerung des Bohrstops noch abgelehnt, sich deutlich abgesetzt von der republikanischen Konkurrenz.

«Drill, baby, drill!» (Bohr, Baby, bohr!) hiess die Parole, mit der John McCain und, noch schriller, Sarah Palin durch die Kongresshallen zogen. Heute fragt Greenpeace rhetorisch scharf: «Ist das etwa Obamas sauberer Energieplan? Oder ist es Palins Kampagne?»

Kampfjets mit Biotreibstoff

Eher ist es wohl ein Mittelweg, typisch für einen Präsidenten, der kühlen Pragmatismus zu seinem Markenzeichen macht.

«Das ist keine Entscheidung, die ich leichten Herzens getroffen habe», sagte Obama, als er den Schwenk verkündete, auf dem Luftwaffenstützpunkt Andrews skurril inszeniert vor der Kulisse von Kampfjets, die mit Biotreibstoff fliegen. Nur bleibe Amerika nichts anderes übrig, als weiterhin alte Energiequellen auszubeuten, während es beschleunigt neue entwickle.

Konkret bedeutet der Plan, dass vor der Atlantikküste, von Delaware bis Florida, wieder nach Öl gebohrt werden darf. Nördlich der Delaware-Mündung, bis hinauf nach Maine, bleiben Offshore-Plattformen tabu, was die Regierung mit besonders schützenswerter Fauna begründet. Fürs Pazifik-Ufer bleibt ein 1982 vom US-Kongress beschlossenes Moratorium in Kraft. Im Südwesten Alaskas wird die Bristol Bay, bekannt für ihre reichen Fischgründe, um Schutzgebiet erklärt. Freigegeben wird dagegen arktischer Meeresboden nördlich von Alaska.

Im Golf von Mexiko, wo Rohöl schon bisher gefördert werden durfte, wird die Zone, in der Bohrinseln stehen dürfen, nach Osten ausgedehnt, auf die Strände Floridas zu.

Eine Kompromissvariante

Vergleicht man es mit den Konzepten der Konservativen, wirkt Obamas Blaupause eher wie eine Kompromissvariante. Sein Vorgänger George W.

Bush hatte erst vor zwei Jahren grünes Licht für eine schrankenlose Offshore-Offensive gegeben, womit er pikanterweise Entscheide seines Vaters aufhob. Es war George Bush senior gewesen, der 1990 speziell für die Bristol Bay ein Bohrverbot erliess, nachdem der Tanker «Exxon Valdez» vor Alaska auf Grund gelaufen war und die Umwelt verseucht hatte. Dort zurrt Obama das Moratorium fest, an der Enttäuschung der Umweltaktivisten ändert es freilich nichts.

Taktisches Kalkül Obamas

Um Proteste zu dämpfen, verteilt das Weisse Haus Beruhigungspillen. Vorerst werde man sowieso nur Versuchsbohrungen erleben. Die geologischen Studien des Küstenschelfs seien komplett veraltet, zunächst müsse das Wissen um schlummernde Ressourcen auf den neusten Stand gebracht werden. US-Journalist Peter Maass, Autor eines viel beachteten Buches über die Welt des Öls, spricht applaudierend von einem Ende der Scheinheiligkeit.

«Warum sollen wir unsere eigenen Küsten ausschliessen, während wir vor Küsten in aller Welt Öl fördern, um unsere Tanks zu füllen?»

In einem Punkt sind sich Kritiker und Befürworter einig: Taktisches Kalkül dürfte eine wichtige Rolle bei der Richtungsänderung gespielt haben. Nach Ostern soll der Senat ein Klimaschutzgesetz debattieren, inklusive Emissionshandel und Obergrenzen für den CO2-Ausstoss. Nach der Gesundheitsreform ist es der nächste grosse Brocken, den Obama aus dem Weg räumen will.

Ein «Clean Energy and Security Act» war bereits im Juni vom Repräsentantenhaus verabschiedet worden. Nun liegt es an der zweiten Kammer, Nägel mit Köpfen zu machen. Energiepolitische Zugeständnisse der Regierung – im Februar Milliardenbürgschaften für den Bau neuer Atomkraftwerke, jetzt grünes Licht für neue Bohrtürme – sollen helfen, den Widerstand der Republikaner zu lockern.