Nun wird zu härteren Bandagen gegriffen

Bisher haben die schottischen Nationalisten immer von positiven Argumenten für die Unabhängigkeit gesprochen. Auf Kritik aus London und Brüssel reagierte Ministerpräsident Alex Salmond jetzt aber gereizt.

Sebastian Borger
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LONDON. Der schottische Ministerpräsident Alex Salmond will auch nach der angestrebten Unabhängigkeit von Grossbritannien an der Währungsunion mit London festhalten. Dies erspare Unternehmen beiderseits der Grenze «erhebliche Zusatzkosten», sagte der Chef der Nationalistenpartei SNP gestern in Aberdeen. Salmond steht unter Druck, seit letzte Woche der britische Finanzminister George Osborne klargestellt hatte: «Wenn Schottland das Vereinigte Königreich verlässt, verlässt es auch das gemeinsame Pfund.» Am Sonntag gab sich ausserdem EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso pessimistisch, was die Mitgliedschaft der abtrünnigen Provinz in der EU angeht: Dies sei «sehr schwierig, wenn nicht unmöglich».

Bisher «positive Kampagne»

Umfragen zum Referendum im September, die aber vor den Interventionen aus London und Brüssel erhoben wurden, hatten den Unabhängigkeitspropagandisten Hoffnung gemacht. Nachdem der Anteil der Befürworter monatelang bei einem Drittel verharrt hatte, gab es nun bis zu 43 Prozent Zustimmung für Salmonds Projekt. Der 59jährige Ökonom leitet seit 2007 die Regionalregierung in Edinburgh und kann sich seit 2011 auf eine absolute Mehrheit im Parlament stützen. Salmond und seine SNP haben es in dieser Zeit geschafft, optimistisch und zukunftsorientiert zu erscheinen: Er stehe «für eine positive Kampagne», beteuert der landesväterlich auftretende Nationalist. Bedenken trat Salmonds Kabinett stets mit der Versicherung entgegen, an der gemeinsamen Währung und der EU-Mitgliedschaft werde sich nichts ändern.

Barroso «lächerlich» genannt

Osbornes und Barrosos Einlassungen verdeutlichten, dass diese Beteuerungen auf tönernen Füssen stehen – zumal die Haltung des Konservativen Osborne vom liberalen Koalitionspartner sowie der oppositionellen Labour geteilt werden. Entsprechend gereizt fiel die Reaktion aus. Salmond sprach von «Bluff, Getöse und Mobbing durch das Westminster-Establishment». Sein Finanzminister John Swinney nannte Barroso «lächerlich». Er werde ohnehin nicht mehr im Amt sein, wenn über Schottlands EU-Mitgliedschaft verhandelt werde. Darin stecken zwei Wahrheiten: Barrosos Amtszeit geht zu Ende, der künftige Status von Schottland in der EU ist Verhandlungssache – jahrelang haben die Nationalisten behauptet, man werde nach der Unabhängigkeit automatisch Mitglied bleiben.

Stattdessen steht nun fest: Alle 28 EU-Partner, darunter Rumpf-Britannien, müssten Schottlands Beitrittsgesuch zustimmen, falls sich dessen 5,3 Millionen Einwohner tatsächlich unabhängig erklären. Dass die Einigung bis März 2016 gelingt, wenn nach SNP-Vorstellungen die Abspaltung von London Wirklichkeit werden soll, hält der frühere Richter am Europäischen Gerichtshof, David Edward, jedenfalls für «viel zu optimistisch».

Es geht auch um hohe Kosten

Scharf kritisierte Salmond den Londoner Finanzminister: Osbornes Verweigerung einer Währungsunion würde britischen Unternehmen beiderseits der Grenze «zusätzliche Transaktionskosten» von jährlich rund 610 Millionen Euro verursachen. Salmond drohte auch erneut, falls London sich der Währungsunion verweigere, werde Schottland auch nicht wie bisher versprochen «einen fairen Anteil» der britischen Staatsschulden übernehmen.

Salmonds Pläne würden «immense Kosten» verursachen, erklärte gestern Alistair Darling, der die parteiübergreifende Kampagne «Besser Gemeinsam» koordiniert. Mit den Geldargumenten zielen die Befürworter der Union auf einen neuralgischen Punkt der Schotten, die für ihre Sparsamkeit bekannt sind.