Nordkorea kündigt Verträge

Die nordkoreanische Regierung hat alle Abkommen mit Südkorea annulliert. Pjöngjang hat zudem die Seegrenze im Gelben Meer für «ungültig» erklärt. Seoul hat seine Marine alarmiert.

Angela Köhler
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Nordkoreas Machthaber Kim Jong-il will nichts mehr von Abkommen mit Südkorea wissen. (Bild: rtr/KCNA)

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-il will nichts mehr von Abkommen mit Südkorea wissen. (Bild: rtr/KCNA)

tokio. Erst vor zwölf Tagen rasselte Nordkorea heftig mit den Säbeln, jetzt lässt das kommunistische Regime in Pjöngjang seinen verbalen Kriegsdrohungen völkerrechtliche Schritte folgen und kündigt alle Verträge mit dem Süden. Damit wird die Lage der geteilten koreanischen Halbinsel immer unberechenbarer.

Viele Abkommen gibt es nicht zwischen Nord- und Südkorea. Die meisten sind zudem vage formuliert. Bisher aber haben sie immerhin den fragilen Waffenstillstand während mehr als 55 Jahren im Lot gehalten.

Vorbote für Seegefechte?

Gestern erklärte die nordkoreanische Regierung nun alle Verträge über Aussöhnung und Entspannung zwischen den beiden Koreas für nichtig. Ein nordkoreanisches «Komitee für die Friedliche Wiedervereinigung Koreas» verkündete über die staatlich gelenkten Medien: «Alle Vereinbarungen über die Beendigung der politischen und militärischen Konfrontation zwischen Nord- und Südkorea werden aufgehoben.» Dasselbe gelte für das Abkommen über Aussöhnung, Verzicht auf Aggression, Kooperation und Austausch.

Besonders schwerwiegend jedoch ist die Aufkündigung der im Anhang dieses Vertrags enthaltenen Punkte über den Verlauf und den militärischen Schutz der Seegrenze im Gelben Meer. Nach Ansicht der südkoreanischen Regierung könnte dieser Schritt ein letzter Vorbote für bewaffnete Provokationen oder sogar Seegefechte sein.

«Gefahrenlinie überschritten»

Schon 1999 hatte Pjöngjang nach einem innerkoreanischen Scharmützel die zwischen beiden Staaten umstrittene Grenzlinie für «ungültig» erklärt. Südkoreas Marine wurde gestern in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.

Am 19. Januar hatte ein nordkoreanischer Militärsprecher mit Kampfhandlungen gedroht, nachdem die südkoreanische Küstenwacht illegal eingedrungene Fischerboote nach Nordkorea zurückgedrängt hatte. Pjöngjang nannte dies «Provokationen» der südkoreanischen Marine, die bereits eine «Gefahrenlinie überschritten» hätten.

Seegrenze nicht eindeutig

Mehrfach ist es entlang der umstrittenen Seegrenze schon zu Schusswechseln mit Todesopfern auf beiden Seiten gekommen. Der bisher schwerste Kampf ereignete sich im Juni 2002, in dem fünf südkoreanische Marineangehörige ums Leben kamen.

Die Grenzlinie im Gelben Meer ist im Waffenstillstand von Panmunjom zum Ende des Bruderkriegs 1953 nicht eindeutig geklärt worden und sollte in einem späteren, aber bisher noch nicht zustande gekommenen Friedensvertrag geregelt werden.

Gelassenheit in Seoul

Abgesehen von der Möglichkeit einer militärischen Konfrontation zur See gibt sich die südkoreanische Regierung bislang gelassen. Anscheinend wolle Nordkorea mit dem neuerlichen Kriegsgeschrei in Washington Aufmerksamkeit schinden, sagte ein Sprecher des südkoreanischen Ministeriums für Wiedervereinigung. Das «bisherige Säbelrasseln hat keine nennenswerte Reaktion hervorgerufen», erklärte er weiter. Mit kriegerischen Drohungen wolle das Kim-Regime lediglich den Druck für weitere Zugeständnisse im Poker um seine Atomanlagen erhöhen.

«Kriegshetzer-Marionetten»

Auch diesmal nennt Pjöngjang den südkoreanischen Präsidenten Lee Myung Bak einen «Verräter», der die innerkoreanischen Beziehungen «an den Rand eines Krieges» geführt habe. Die Seouler «Kriegshetzer-Marionetten» würden Nordkoreas «Revolutionäre Streitkräfte dazu zwingen, sie zu vernichten», hatte ein Militärsprecher bereits vor knapp zwei Wochen angekündigt.

Mit der Annullierung aller Verträge hat das ohnehin gespannte Verhältnis zwischen den beiden koreanischen Staaten einen neuen Tiefpunkt erreicht. Aufgekündigt wurden dem Vernehmen nach auch alle an den beiden Gipfeltreffen zwischen Nord- und Südkorea vereinbarten Abkommen über Familientreffen, ökonomische Zusammenarbeit, Strassen- und Schienenwege sowie Kommunikationsverbindungen.

Kein Tourismus aus dem Süden

Bereits Anfang Dezember hatte Pjöngjang die Grenze hermetisch abgeriegelt und die gemeinsame Wirtschaftszone praktisch lahmgelegt. Nachdem militärische Posten Nordkoreas am 11. Juli vergangenen Jahres eine am Strand wandernde Besucherin aus Südkorea ohne Warnung erschossen hatten, ist auch der Tourismus zum Erliegen gekommen.