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Nach Abschuss einer US-Drohne: Trump droht – aber hält sich zurück

Die ohnehin schon angespannte Lage hat sich zugespitzt. Die Provokationen Teherans könnten ausser Kontrolle geraten.

Pierre Heumann aus Tel Aviv
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Der amerikanische Präsident Donald Trump: Behält er im Konflikt mit Iran einen kühlen Kopf? Keystone

Der amerikanische Präsident Donald Trump: Behält er im Konflikt mit Iran einen kühlen Kopf? Keystone

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US-Präsident Donald Trump hat einen von ihm befohlenen Militärschlag gegen den Iran in der Nacht auf Freitag in letzter Minute gestoppt und damit eine weitere Eskalation des Konflikts mit Teheran verhindert. Er hatte die Operation zunächst als Vergeltungsschlag freigegeben, nachdem eine amerikanische Aufklärungsdrohne durch den Iran abgeschossen worden war. Teheran behauptet, die Drohne sei in den iranischen Luftraum eingedrungen. Doch Washington widerspricht. Das unbemannte Fluggerät sei über internationalen Gewässern abgeschossen worden.

Um gegen die vom Iran behauptete Verletzung des iranischen Luftraums zu protestieren, berief Teheran den Schweizer Botschafter Markus Leitner ein. Die Schweiz vertritt seit 1979 die US-Interessen im Iran. Teheran sprach von einer «sehr gefährlichen Provokation» und rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, der Drohnen-Spionage der USA ein Ende zu setzen.

Laut einem Bericht der «New York Times» war die von Trump befohlene Operation bereits in ihrem Anfangsstadium, als sie von ihm wieder abgeblasen wurde. Der Vergeltungsschlag wäre mit 150 Todesopfern in keinem vernünftigen Verhältnis zum Abschuss eines unbemannten Flugkörpers gewesen, begründete Trump auf Twitter seinen Rückzieher.

Warnungen an Teheran

An einem militärischen Kräfteringen mit dem Iran hat Trump derzeit offenbar kein Interesse. Deshalb soll er in der Nacht auf Freitag die Iraner gewarnt haben, dass ein Angriff unmittelbar bevorstünde. Laut der Nachrichtenagentur Reuters habe Trump Teheran über Vermittler im Sultanat Oman wissen lassen, dass die USA keinen Krieg wollten, sondern «Gespräche über mehrere Themen» anstreben würden.

Gleichzeitig soll Trump dem Iran eine Frist für den Beginn der Verhandlungen gesetzt haben. Eine konkrete Antwort aus Teheran sei bisher aber noch nicht eingetroffen. Der Entscheid sei Sache des Revolutionsführers Ayatollah Ali Khamanei, zitiert Reuters einen iranischen Offiziellen. Der Revolutionsführer sei bekanntlich grundsätzlich gegen Verhandlungen, wird eine zweite iranische Quelle zitiert. Aber Trumps Botschaft werde trotzdem an Khamanei weitergeleitet, denn er habe das letzte Wort.

Trump hat sein Ziel, den Iran mit einer Verschärfung der Wirtschaftssanktionen an den Verhandlungstisch zu bringen, um das Atomabkommen neu auszuhandeln, bisher nicht erreicht. So scheiterte zum Beispiel neulich Japans Premier Shinzo Abe, als er in Teheran Trumps Gesprächsangebot präsentierte. Die iranischen Machthaber, musste Abe erfahren, empfinden Verhandlungen mit den USA als «Gift».

Für Trump, der Truppen aus Afghanistan und aus Syrien abzieht, würde ein neues Engagement im Mittleren Osten wenig Sinn machen. Ein Jahr vor den Wahlen wolle Trump keine neue Front gegen den Iran eröffnen, die seine zweite Amtszeit gefährden könnte, meint der gebürtige Iraner Meir Jevandafar vom Interdisciplinary Center in der israelischen Stadt Herzliya.

Die Provokationen häufen sich

Washington und Teheran haben unterschiedliche zeitliche Prioritäten. Trump spielt auf Zeit, weil er hofft, dass Teheran aufgrund der Wirtschaftssanktionen zum Einlenken im Atomstreit bereit sein wird. Der Iran will hingegen ein baldiges Ende des Konflikts und der Sanktionen, weil die Ayatollahs befürchten, dass sie das Sanktionsregime nicht mehr lange überleben können. Mit dieser inneren Konflikt-Dynamik erklärt «Washington Post»-Kolumnist David Ignatius die Ereignisse der vergangenen Wochen im Persischen Golf. Obwohl Sticheleien der iranischen Verbündeten gegen westliche Interessen in der Region kontinuierlich zugenommen haben, ist Trumps militärische Reaktion bisher zurückhaltend ausgefallen.

Die vom Iran abgeschossene US-Drohne kann bis zu 19,8 Kilometer hoch fliegen - deutlich höher als Verkehrsflugzeuge. Sie ist knapp 15 Meter lang und hat eine Spannweite von 40 Metern. Zum Vergleich: Eine Boeing 737 hat gut 33 Meter Länge und eine Spannweite von knapp 36 Metern. (Archivbild)

Die vom Iran abgeschossene US-Drohne kann bis zu 19,8 Kilometer hoch fliegen - deutlich höher als Verkehrsflugzeuge. Sie ist knapp 15 Meter lang und hat eine Spannweite von 40 Metern. Zum Vergleich: Eine Boeing 737 hat gut 33 Meter Länge und eine Spannweite von knapp 36 Metern. (Archivbild)

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Seit Mitte Mai treten die Iraner und deren Verbündete als serielle Attentäter auf. Mitte Mai kam es zu Sabotageakte gegen zwei saudische Öltanker und Ölpumpstationen; wenige Tage später konnten die Saudis zwei ballistische Raketen auf Mekka abfangen, Mitte Juni griffen Houthis-Rebellen einen saudischen Flughafen an, Mitte Juni wurden zwei Tanker im Golf von Oman angegriffen. Bei der diese Woche abgeschossenen US-Drohne handelt es sich um die bisher letzte Provokation Teherans.

Swiss umfliegt die Region

Trump geht davon aus, dass die von ihm verschärften Wirtschaftssanktionen den Iran mit jedem Tag schwächen und schliesslich in die Knie zwingen. Doch die Provokationen Teherans könnten ausser Kontrolle geraten und in einem offenen Krieg münden, wenn sie zum Beispiel US-Opfer fordern. Es hätte einen grossen Unterschied gemacht, kommentierte Trump den Abschuss der Drohne, wenn dabei US-Soldaten ums Leben gekommen wären.

Teheran ist in der komfortablen Situation, seine Verbündeten in der Region gegen westliche Ziele einzusetzen, ohne sich direkt zu engagieren: Die Hisbollah im Libanon, die Huthis im Jemen oder der Islamische Dschihad im Gazastreifen. Solche Provokationen könnten Trump und seine Alliierten freilich nicht grenzenlos hinnehmen, ohne ihr Gesicht zu verlieren, was im Orient verheerende Folgen hat.

Inzwischen umfliegen die meisten Airlines die Strasse von Hormus, um nicht aufgrund einer «Fehlkalkulation» von einer iranischen Rakete abgeschossen zu werden. Dazu gehören unter anderem die deutsche Lufthansa, sämtliche amerikanischen Airlines, Qantas, Emirates, KLM sowie British Airways. Auch die Swiss hat ihre Flugrouten entsprechend geändert.