Ein Mann hat in einer Londoner U-Bahnstation drei Menschen mit einem Messer verletzt. Der Angriff sei eine Vergeltung für Grossbritanniens Krieg gegen den Terror in Syrien.
LONDON. Der Täter soll gerufen haben: «Das ist für Syrien», dann stach er zu. In der Londoner U-Bahnstation Leytonstone griff am Samstagabend ein 29jähriger Mann drei Menschen mit einem Messer an. Er verletzte einen 56jährigen Fahrgast schwer am Hals. Zwei weitere Opfer kamen mit leichten Verletzungen davon. Polizisten konnten den Täter mit einer Elektroschockwaffe überwältigen. Als er abgeführt wurde, soll er, so die Augenzeugin Laurynas Godvisa, gerufen haben: «Das passiert, wenn ihr euch mit Mutter Syrien anlegt. All euer Blut wird fliessen.»
Für die Polizei handelt es sich bei der Tat um einen Akt von Terrorismus. Damit wäre es der erste Terrorangriff seit der Ermordung des Soldaten Lee Rigby in einer Macheten-Attacke im Mai 2013. Auch damals rechtfertigten die Täter ihren Angriff als eine Vergeltung für britische Militäraktionen gegen Moslems.
Die Bluttat vom Samstag ging zum Glück nicht tödlich aus. Kommandant Richard Walton von der Anti-Terrorismus-Einheit der Londoner Polizei sagte: «Wir behandeln dies als terroristischen Vorfall. Ich möchte die Bevölkerung bitten, ruhig zu bleiben, aber aufmerksam und wachsam zu sein. Die Bedrohung durch Terrorismus bleibt ernst, was heisst, dass ein Terrorangriff sehr wahrscheinlich ist.»
Im Internet zirkulieren Videos des Vorfalls. Auf den verwackelten, offensichtlich mit Mobiltelefonen aufgenommenen Bildern ist eine Blutlache in der Schalterhalle vor den Fahrgastbarrieren zu sehen. Ein hochgewachsener Mann steht dahinter, hält ein Messer mit einer gut sieben Zentimeter langen Klinge in Augenhöhe und bedroht damit Polizisten. Erst wiederholte Schüsse mit einem Taser, einem Elektroschocker, bringen den mutmasslichen Terroristen zu Fall.
Das britische Unterhaus hatte am Mittwochabend für eine Ausweitung von Luftschlägen gegen die Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS) gestimmt, und britische Tornado-Jets flogen sofort danach erste Angriffe in Syrien. Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon hatte nur Stunden vor der Messerattacke beteuert, dass die Bekämpfung des IS «die Strassen Grossbritanniens sicherer» machen werde. Doch wie schon bei der Ermordung Lee Rigbys oder den Bombenangriffen auf die Londoner U-Bahn im Jahr 2005 scheint auch die Messerattacke von Leytonstone durch britische Militäraktionen provoziert worden zu sein.
Sicherheitskräfte stufen einheimische, in Grossbritannien aufgewachsene und sozialisierte Moslems, die radikalisiert und zu Extremisten werden, als die grösste aktuelle Terrorgefahr ein. Man geht davon aus, dass mittlerweile rund 400 in IS-Trainingslagern ausgebildete Jihadisten nach Grossbritannien zurückgekehrt sind. Sie müssten, forderte der Vorsitzende des parlamentarischen Innenausschusses, Keith Vaz, «sorgfältig überwacht» werden. Abdelhamid Abaaoud, der Drahtzieher der Terroranschläge von Paris, soll Verbindungen zur Extremistenszene in Birmingham gehabt haben. Marcus Beale, der Präsident der West Midlands Police, bestätigte, dass er in dieser Sache eng mit seinen französischen und belgischen Kollegen zusammenarbeitet. Im Vorfeld der Pariser Anschläge soll es mehrere Telefonate zwischen den IS-Terroristen und Kontakten in Birmingham gegeben haben. Auch soll einer der Angreifer vor den Anschlägen nach London und Birmingham gereist sein.