Unter dem Vorwand, Falschnachrichten zu bekämpfen, will die Regierung mit einem neuen Gesetz Kritiker mundtot machen. Das Vorgehen hat in Malaysia System.
Malaysias Regierung ist im Begriff, die Verbreitung von ihr unliebsamen Nachrichten mit harschen Strafen zu belegen. Ein Gesetzesentwurf, über den das Parlament in der kommenden Woche abstimmen wird, sieht vor, dass die Veröffentlichung oder das Weiterleiten von falschen oder teilweise falschen Nachrichten mit bis zu 120 000 Franken Strafe und bis zu zehn Jahren Haft geahndet werden kann.
Was wahr oder falsch ist, liegt dabei im Ermessen der Obrigkeit. Daran, dass das Gesetz bald in Kraft sein wird, besteht kaum Zweifel: Die rechtsnationale Regierungspartei Nationale Front (BN), die den Entwurf eingebracht hat, hält im Parlament in Kuala Lumpur die absolute Mehrheit. Bestraft werden soll, wer in herkömmlichen oder sozialen Medien Texte, Video- und Audio-Dateien sowie Comics und Karikaturen veröffentlicht oder teilt, deren Inhalt vom malaysischen Staat als unwahr angesehen werden. Auch Inhalte, die die öffentliche Ordnung stören oder die nationale Sicherheit gefährden, werden unter die Rechtsprechung fallen. Gegen eine Gerichtsanordnung, Inhalte zu löschen, wird kein Einspruch möglich sein. Vorstände von Firmen, die dazu beigetragen haben, unwahre Inhalte zu verbreiten, sollen ebenfalls haftbar gemacht werden.
Die absehbare Gesetzesänderung könnte Konsequenzen weit über die Grenzen des 31-Millionen-Einwohner-Landes hinaus haben: Sie soll auch für Ausländer gelten, die sich im Ausland zu malaysischen Angelegenheiten äussern. Theoretisch könnte es so zu Anklagen und Verurteilungen in Abwesenheit kommen.
Der Gesetzentwurf habe wenig mit der Eindämmung von Fake-News zu tun, sondern sei ein Instrument der Unterdrückung, monieren Journalisten, Aktivisten und Menschenrechtler. In Malaysia sei es geradezu Tradition, mit dem Gesetzbuch gegen Widerspruch vorzugehen, warnte James Gomez, Südostasien-Verantwortlicher von Amnesty International. Tatsächlich hat die Regierung bereits einen ganzen Werkzeugkasten an Massnahmen zur Verfügung, mit der sie sowohl die Menschenrechte als auch die Rede- und Pressefreiheit beschneiden kann. Das neue Gesetz sei allerdings mehr als nur ein weiterer Versuch, Andersdenkende einzuschüchtern, warnt Steven Gan, Chefredaktor der unabhängigen Nachrichtenseite «Malaysiakini». «Es ist der Todesstoss für das bisschen Demokratie, das wir hier haben», gibt der Journalist zu bedenken.
Die malaysische Opposition wies auf den augenscheinlichen Zusammenhang mit den bis August abzuhaltenden Wahlen hin. Die neuen Paragrafen machten einen fairen Wahlkampf unmöglich, sagten Regierungsgegner. «Dies ist ein Versuch, das Volk einzuschüchtern», so Ong Kian Ming von der sozialdemokratischen Oppositionspartei DAP. Tatsächlich liegt der Verdacht nahe, dass die Nationale Front, die bisher alle malaysischen Premiers gestellt hat, das Gesetz unter anderem deshalb durchdrücken will, um den seit 2009 regierenden Ministerpräsidenten Najib Razak zu schützen. Najib ist tief in den sogenannten 1MDB-Skandal verstrickt. Aus dem gleichnamigen Staatsfonds sind unter Najibs Leitung mehr als 4 Milliarden US-Dollar verschwunden.
Im Juli 2015 berichtete das US-amerikanische «Wall Street Journal», dass 681 Millionen Dollar aus dem Fonds auf private Konten Najibs geflossen seien. Auch Schweizer Banken sind in die Machenschaften – es geht um Geldwäsche und Korruption – involviert. Mitte Februar berichtete die malaysische Nachrichtenseite «Sarawak Report», die 2015 schon den 1MDB-Skandal ins Rollen gebracht hatte, dass erneut Milliardenbeträge beiseitegeschafft worden seien. Unter dem Vorwand, eine auf Gesundheitsversorgung spezialisierte Stadt zu bauen, seien bis zu 4 Milliarden Franken an den Kapitalmärkten aufgenommen worden. Ein Teil sei auf Konten von Mittelsmännern von Najib Razak geflossen.
Sollte das Fake-News-Gesetz wie erwartet bald in Kraft treten, dürfte es in Zukunft äusserst schwierig sein, Enthüllungen dieser Art zu veröffentlichen.
Ulrike Putz, Singapur