Um die Demokratie in Venezuela ist es schlecht bestellt. An der jüngsten Sondersitzung der Organisation amerikanischer Staaten hatte das Land zwar noch Rückendeckung. Doch die Luft wird dünner.
Nach vier Stunden und ellenlangen Vorträgen über die Souveränität seines Landes und die Probleme der übrigen Mitgliedsstaaten hatte es Venezuelas Botschafter geschafft: Die Sondersitzung der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) wurde am Dienstag in Washington von den entnervten Botschaftern suspendiert. 20 der 34 Mitgliedsstaaten hatten sie der Satzung gemäss beantragt, um über die Demokratie in Venezuela zu beraten. Anlass war ein kritischer Bericht des OAS-Generalsekretärs Luis Almagro, in dem er sich besorgt zeigte über die fehlende Gewaltenteilung, die humanitäre Krise, die Gewaltspirale und die Repression gegen Oppositionspolitiker. Bei der Debatte musste sich der venezolanische Botschafter nicht nur Kritik anhören, es gab auch Vorschläge wie die Einrichtung einer «Gruppe befreundeter Länder», die einen Dialog zwischen der Regierung und der bürgerlichen Opposition voranbringen soll. Im Dezember hatte es bereits einen Versuch unter der Ägide des Vatikans gegeben; die Gespräche wurden jedoch ausgesetzt, nachdem die Regierung Vereinbarungen wie die Freilassung politischer Gefangener nicht eingehalten hatte. Dies und baldige Wahlen sind Teil eines Forderungskatalogs, der von 18 Staaten unterschrieben wurde, der jedoch nicht verbindlich ist, da dafür eine Zweidrittelmehrheit von 24 Ländern nötig wäre.
Almagro, der seit Monaten versucht, die OAS zu einem entschlosseneren Vorgehen zu bewegen, zeigte sich zufrieden: «Wir haben einen riesigen Schritt nach vorne gemacht. 20 Staaten setzen sich für eine demokratische Agenda in Venezuela ein», twitterte er. Sozialistische Bruderstaaten wie Nicaragua und Bolivien verteidigten Venezuela zwar massiv, doch die Sitzung zeigte, dass der Rückhalt schwindet. Besonders die wichtigen Staaten wie Mexiko, Brasilien, Kanada, die USA, Argentinien und Kolumbien unterstützten die Forderung nach Wahlen und Dialog – dem schlossen sich auch links regierte Länder wie Chile und Uruguay an. Auch die EU-Vertreterin für Aussenpolitik, Federica Mogherini, sprach sich in einem Brief an EU-Parlamentarier für Wahlen, die Freilassung der politischen Gefangenen und den Respekt des Parlaments aus.
In den letzten drei Jahren hat sich die Situation in Venezuela drastisch verschlechtert. Der Verfall der Erdölpreise und staatliche Preis- und Devisenkontrollen führten zu Rezession, Güterknappheit, Inflation, Spekulation, Armut, Hunger. Unter dem Eindruck der Krise gewann die bürgerliche Opposition die Parlamentswahlen 2015 klar. Die sozialistische Regierung weigerte sich jedoch, die Parlamentsbeschlüsse als bindend anzusehen, und hat weder Regionalwahlen anberaumt noch ein von der Opposition eingeleitetes Abberufungsreferendum gegen Präsident Nicolás Maduro erlaubt.
Maduro feierte die Suspendierung der Debatte zwar als Sieg über den Imperialismus, kündigte aber gleichzeitig an, über einen Austritt aus der OAS nachzudenken. Zeitgleich mit der OAS- Debatte beschloss zudem der von der Regierung kontrollierte Oberste Gerichtshof, dass die Parlamentarier keine Immunität geniessen, weil das Parlament die Verfassung missachte.
Sandra Weiss, Puebla