KONGO: Ganz in der Tradition afrikanischer Despoten

Präsident Joseph Kabila hätte dieser Tage sein Amt abgeben sollen. Doch er weigerte sich abzutreten. Es dürfte ihm um sein Geschäftsimperium gehen, von dem seine ganze Familie profitiert.

Joseph Kabila
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Nirgendwo trennen sich Präsidenten schwerer von der Macht als in Afrika. Joseph Kabila, Staatschef in Kongo, ist nur das jüngste Beispiel in einer langen Reihe von Präsidenten, die ihr Land lieber in einen Bürgerkrieg stürzen, als nach dem Ende ihrer von der Verfassung begrenzten Amtszeit abzutreten. Der derzeit bekannteste unter ihnen ist Simbabwes 92-jähriger Diktator Robert Mugabe, der sich seit 36 Jahren mit allen Mitteln an die Macht krallt – und eben erst von seiner Partei erneut zum Präsidentschaftskandidaten nominiert wurde. Sollte er dann wie üblich mit Lug und Trug gewinnen, wäre Mugabe am Ende dieser Amtszeit 99 Jahre alt.

In Kongo ist die Lage verworrener: Seit fast zwei Jahren rätseln die Menschen, ob Präsident Kabila eine (verfassungswidrige) dritte Amtszeit anstrebt oder nicht. Er war nach dem gewaltsamen Tod seines Vaters Laurent-Désiré Kabila 2001 mit nur 29 Jahren neuer Präsident geworden und hatte die Wahlen 2006 gewonnen. Sein zweiter Wahlsieg 2011 war heftig umstritten, weil die Wahl vollkommen chaotisch verlief. Laut Verfassung dürfte Kabila nach zwei Legislaturperioden nicht mehr antreten. Seine reguläre Amtszeit lief am 20. Dezember aus. Gleichwohl liess er sich vom Verfassungsgericht bestätigen, dass er unter Umständen über Dezember hinaus im Amt bleiben kann. Ein solcher Umstand wäre zum Beispiel, dass die Wahlen nicht fristgerecht ­organisiert werden konnten.

Sieht sich als Friedensstifter und Wohltäter

Vieles deutet darauf hin, dass die Bevölkerung noch einige Zeit auf Wahlen warten muss. Kabila dürfte nun zunächst bis mindestens April 2018 Staatsoberhaupt bleiben. Damit kommt er dem Ziel so vieler afrikanischer Potentaten ein Stückchen näher, Präsident auf Lebenszeit zu werden. Der frühere Soldat ist erst 45 Jahre alt und schon jetzt reicher, als es der kleptokratische Vorgänger Mobutu Sese Seko je war, der Kongo zwischen 1965 und 1997 regierte und plünderte. In seiner einzigen öffentlichen Rede in diesem Jahr suchte Kabila letzten Monat gar nicht erst nach Aus­reden für die verweigerte Machtübergabe. «Ich kann nicht zulassen, dass mein Land von einer kleinen Clique der politischen Klasse in Geiselhaft genommen wird», liess er wissen. Seine Präsidentschaft habe Kongo Frieden und Wohlstand gebracht, wobei er auf seine Reformen in der Telekommunikation, im Bergbau und Bankwesen verwies.

Kabila fürchtet Verlust des Familienimperiums

Unerwähnt blieb, dass Kabila und seine Familie zu den grössten Nutzniessern der von ihm an­gestossenen Veränderungen zählen. Gemeinsam haben die Kabilas ein Geschäftsimperium errichtet, das in die entlegensten Ecken der kongolesischen Wirtschaft reicht und nach einer ­Recherche der Nachrichtenagentur Bloomberg die Familie um mehrere hundert Millionen Dollar ­reicher gemacht haben soll. Es ist genau dieses Netz an Geschäftsbeziehungen, das erklären dürfte, warum sich Kabila so beharrlich gegen Neuwahlen stemmt.

Seine Weigerung könnte die fragile Stabilität zerstören, die in den letzten Jahren internationale Investitionen angezogen und Kongo zum grössten Produzenten von Kupfer, Zinn und Kobalt Afrikas gemacht hat. Zurzeit scheint Kabila noch die besseren Karten zu haben. Am 19. Dezember, dem letzten Tag seiner offiziellen Amtszeit, stationierte er schwerbewaffnete Polizisten und Soldaten in den Strassen der Hauptstadt Kinshasa. Dutzende politischer Aktivisten wurden festgenommen und die Häuser von Oppositionspolitikern umstellt. Dass Kabila zum Äussersten bereit ist, hatte er im September gezeigt, als bei schweren Zusammenstössen in Kinshasa nach offiziellen Angaben 32 Menschen getötet wurden. Die Opposition sprach gar von über 100 Toten.

Kabilas Gegner agieren inzwischen vorsichtiger. Etienne Tshisekedi, einflussreichster Oppositionspolitiker, der im Juli bei seiner Rückkehr aus dem Exil begeistert empfangen worden war, hüllte sich in Schweigen. Immer schneller bewegt sich das Land mit seinen 80 Millionen Menschen derweil einem Bürgerkrieg entgegen. Kein Staatsoberhaupt hat hier seit der Unabhängigkeit von Belgien 1960 sein Amt friedlich geräumt. Der verheerende Krieg, der 1997 auf den Sturz von Mobutu folgte, führte zum Tod von Hunderttausenden, vermutlich sogar Millionen Menschen durch Hunger und Krankheit.

Wolfgang Drechsler/Kapstadt